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Eine ungekannte Welt : Erzählungen aus dem jüdischen Familienleben / von Judäus
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diese Liebe erweisen und ihm ein Privilegium einräumen, auf das er durch seine Stellung und durch den Umstand einen ge­wissen Anspruch habe, daß er als der erste designirt sei, der den Sabbat entweihen solle. Hätte der Poriz (so nennt man bei uns die Gutsherren) einen anderen als das erste Opfer be­stimmt, so hätte der Rabbiner diesem, und wäre er auch der letzte in der Gemeinde, gern denselben Vorzug eingeräumt.

Man kann sich denken, welchen Eindruck diese schlichten Worte auf die ganze Versammlung machten, die hingerissen von der Seelengröße ihres Führers, das was ihnen wenige Mnuten vorher noch als das größte Unglück galt, nun als das Herr­lichste, Erstrebenswerthe, dessen ein Mensch fähig ist, staunend verehrten.

Und ein solcher Mann sollte in zwei Tagen einem ruch­losen Tode zum Opfer fallen und ihnen so für immer ent­rissen werden! Alle wußten, daß Aschinsky auf seiner Anord­nung bestehen werde, aber noch viel sicherer wüßten sie, daß diese Härte nicht an den Ernst heranreichte, mit dem Rabbi Sundel aussühren werde, was er hier ausgesprochen hatte. Hätte Je­mand auch nur den leisesten Zweifel an der Entschiedenheit des Rabbiners gehabt, in zwei Tagen für seine Gemeinde, für das Gesetz seines Gottes in den Tod zu gehen, er wäre vor den Worten geschwunden, mit welchen Rabbi Sundel seine Rede schloß:

Ich weiß nicht, ob wir noch einmal vor Sabbat zu­sammen kommen, wenn der Poriz von einer solchen Versamm­lung etwas erführe, würde er sie sogar wahrscheinlich ver­hindern. Ich verabschiede mich deshalb jetzt von Euch. Habt Dank für alle Liebe und Güte, die Ihr mir und meiner Familie jederzeit entgegengebracht habt, Ihr werdet dieselbe sicher nicht