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Eine ungekannte Welt : Erzählungen aus dem jüdischen Familienleben / von Judäus
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tagskleidern von der ganzen Gemeinde begleitet, auf den Markt­platz, wo ihn der Schloßvogt mit den übrigen Arbeitern bereits erwartete.

Höhnisch sprach der Vogt:Das ist aber ein theueres 'Arbeitskleid, das Ihr da anhabt, solch' seine Arbeitskleider habe ich noch nicht gesehen, die werdet Ihr beim Arbeiten zu 'Grunde richten und heute Abend kennt man sie nicht wieder."

Ich werde meine Kleider beim Arbeiten nicht ruiniren, ich habe ja heute Sabbat und werde daher gar nicht arbeiten."

Ihr wollt nicht arbeiten?" fragte erstaunt der Vogt. Mißt Ihr nicht, daß Ihr sofort gehängt werdet, wenn Ihr das im Ernste meint?"

Ich weiß es Wohl; aber ich fürchte den Tod nicht. Ich bin darauf vorbereitet und gerade deshalb habe ich meine schönsten Kleider angelegt."

Auf dem Schloßhose angelangt, fragte der Vogt Rabbi Sundel, ob er bei seinem Entschluß beharre, dann müsse er so­fort dem Grafen Bericht erstatten.

Thun Sie, was Ihre Pflicht ist, und ich werde es auch so machen."

So etwas war dem Vogt noch nicht vorgekommen. Ob ihn ein menschliches Rühren überkam oder was sonst auch immer, er zauderte und sagte:

,,Rabbi, wißt Ihr, was Ihr da thut? In einer Viertel­stunde hängt Ihr an diesem Schloßgalgen, an dem vorige Woche Iwan Petrowitsch sein Leben eingebüßt hat, weil er sich gegen einen Aufseher zu einer Thätlichkeit Hinreißen ließ. Und für einen Juden hat der Herr keine Nachsicht, sonst hätte er -Euch nicht befohlen, am Sabbat zu arbeiten."