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In tiefen Ernst versunken hatte Herr Fürstenthal diese Erzählung Orlowsky's angehört, ohne dieselbe durch ein Wort ZU unterbrechen.
„Wissen Sie auch, daß diese letzten Worte die Seelengröße Ihres Rabbiners in noch höherem Maße bekunden, als alles Vorhergehende?" begann er plötzlich.
„Gewiß weiß ich das," entgegnete Orlowsky. „Aber Sie, verehrter Wohlthäter, werden es nun begreiflich und verzeihlich finden, daß man mit einem solchen ErlebUiß im Herzen, nach einer solchen Erfahrung im eigenen Leben nicht so leichten Herzens seinen Sabbat preisgeben kann. Könnte ich — wovor mich Gott hüten wolle — je leichtsinniger Weife meine Sabbatruhe aufgeben, ich hätte Sonntag und Montag, Dienstag und Mittwoch, Donnerstag und Freitag auch keine Ruhe mehr. Das Bild unseres unvergeßlichen Rabbiners, Wie ich ihn in jener Gemeindeversammlung und am Galgen sah, würde sich drohend gegen mich erheben, und mir die Vergewaltigung zum Bewußtsein bringen, die ich an meinem besseren Selbst verübte."
„Seien Sie unbesorgt," unterbrach ihn Herr Fürstenthal, „ich werde diese wunderbare Geschichte weitererzählen und es wird es Niemand mehr wagen, die Heiligung des Sjlb^at Ihnen zum Vorwurf zu machen. Nicht Sie, wir sind an der Reihe uns zu entschuldigen, wollte nur Gott, wir könnten's Ihnen nachmachen."
„Sie schdrzen, Herr Fürstenthal, Sie, der Sie über Hunderttausende verfügen, sollten nicht zu Wege bringen, was ein flüchtiger, fremder Hausirer, eiy gedrückter Familienvater vermag?"