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funden zu haben; keine, die ihn befriedigte, aber doch eine solche, die unter diesen Umständen die einzig mögliche schien.
Der Kaiser berief das gesummte Staatsministerium zu einer Berathung zusammen, der er selber prästdiren wollte. Zwei Stunden später waren alle Minister vollzählig erschienen. Solche plötzliche Ministerialsitzungen waren unter Kaiser Nikolaus nicht ungewöhnliches. Nichts regte den Kaiser mehr aus, als Gedanken und Pläne, die ihrer Ausführung harrten. Heiß und hastig wie die Entwürfe aus der Werkstätte des Geistes kamen, sollten sie feste Gestalt annehmen und in Thaten umgesetzt werden.
Heute war der Kaiser besonders erregt, ein wildes Feuer leuchtete aus den glühenden kaiserlichen Blicken, das jeden zu versengen drohte, auf den sich das Auge des Czaren richtete. Der Czar schien sich auch gar keine Mühe zu geben, seine tiefe Erregung zu verbergen; er gab ihr im Gegenthei'l so drastischen, geradezu verletzenden Ausdruck, daß es selbst die Minister befremdete.
„Ich habe Sie zu einem Ministerrath berufen," begann der Kaiser, „um nun endlich die Judenfrage aus der Welt zu schassen. Wir haben nichts wichtigeres in unserem ganzen Leben und Wirken zu thun, als diese Angelegenheit im Sinne der Kirche zu erledigen. Wie könnten wir auch gegen den Halbmond draußen Kriege führen, so lange wir die Leugner des Christenthums noch in unserer Mitte dulden. Wir müssen die Juden los werden, oder dieselben müssen sich sammt und sonders taufen lassen. Das braucht nicht ausgesprochen zu werden, da es jeder von selbst begreifen wird. Untersagt muß den Juden dasjenige werden, woraus sie die ungewöhnliche Kraft für den Widerstand schöpfen, den sie uns trotz ihrer
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