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Eine ungekannte Welt : Erzählungen aus dem jüdischen Familienleben / von Judäus
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vor der festgesetzten Frist mit Ihrer Arbeit zu Ende sein werden und nun auch noch Zeit und Müße finden, des Körpers zu ge­denken, der nicht minder stark wie der Geist in den letzten zwölf Stunden bei Ihnen in Anspruch genowmeN war. Nun habe ich nur die eine Bitte, daß Sie sich Ihren Trunk nicht durch mich stören lassen, ich nehme gerne an Ihrem frugalen Mahle theil, und der Herr Ministerpräsident wird die Gute haben, den fertig gestellten Entwurf hier zu verlesen. Die Dis­kussion wird bei einem Glase Wein viel gemächlicher sein, oder am Ende gar nicht aufkommen."

Der Ministerpräsident erbleichte. Er hatte also richtig vermuthet, Se. Majestät hatte ein anderes Elaborat erwartet. Auch die übrigen Minister waren sprachlos vor Schrecken. Wieder war es der Minister des Innern, der zuerst seine Fassung wieder gewann und sich verlegen räuspernd sprach:

Majestät wollen bddenken, daß es in dieser kurzen Zeit doch nicht wohl möglich war, ein complicirtes Elaborat auszu­arbeiten, wie Ew. Majestät es wünschen. Wir glaubten daher iw Sinne Ew. Majestät zu handeln, wenn wir die Ausarbei­tung aus die Tagesordnung des nächsten Ministerraths setzten?"

Ist das Ihre eigene Ansicht oder sprachen Sie im Namen aller Ihrer Kollegen?" fragte in scheinbar gleichgiltigem Tone der Czar. Aber der aufmerksame Beobachter merkte am Vibriren der Stimme, daß ein ungewöhnlicher Sturm im An­zug war.

Allerdings," antworteten gleichzeitig einige Minister­stimmen,konnten wir nach den höchsteigenen Dispositionen Ew. Majestät doch kaum anderer Ansicht sein. In so kurzer Zeit wäre doch die Ausarbeitung und Fertigstellung des Ent­wurfs nicht denkbar gewesen."