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Eine ungekannte Welt : Erzählungen aus dem jüdischen Familienleben / von Judäus
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Handelsmanne eine Zehnguldennote in die Hand und ver­schwand.

Als Reb Jtzig nach Mincho zu seinem biederen Weibe zuriickgekehrt war und ihr die Zehnguldennote zeigte, fand er sie nicht so erfreut, wie er gehofft hatte. Ernst sinnend ging sie ein und aus, und selbst als der Jomtof kam, lagerte ein Schatten über der Festesfreude, die sonst das Haus der armen Menschen verklärte.

Auf das wiederholte Drängen nach der Ursache ihrer Unruhe erklärte sie ihrem beunruhigten Manne folgendes:

Ich weiß, daß ich als Frau jauze bin, wenn ich den Willen meines Mannes thue. Auch in dem Falle mit dem Es- rog habe ich nicht anders handeln können, als ich gehandelt habe. Aber ob Du richtig gehandelt hast, das habe ich von An­fang an bezweifelt. Du hättest doch wenigstens vorher ein Schaalo beim Rabbiner machen sollen, dann wärest auch Du gedeckt gewesen. Man macht ja so oft Schaalos über weit weniger wichtige Sachen. Wenn Du dem Räf gesagt hättest, was Du für Dich, Deine Familie und die Jeschiba Gutes hättest thun können mit einem Vermögen von 440 Gülden, so weiß ich nicht, ob er nicht anders gepaßkent hätte, als Du ent­schieden hast. Das ist's, was mich bedenklich macht."

Du hast recht, liebe Frau, aber ich glaube, ich habe auch recht gehandelt. Man soll immer eine Schaalo machen, wo man im Zweifel ist, aber ich war nie einen Augenblick im Zweifel, daß ich so handeln müsse, wie ich gehandelt habe. Wenn auf der einen Seite 440 Gülden liegen und auf der anderen steht eine Mizwo, die man nur einmal im Jahre er­füllen kann, kann ich da im Zweifel sein, ob ich für todtes, kaltes Geld oder für die Worte des lebendigen, ewigen Gottes

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