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Eine ungekannte Welt : Erzählungen aus dem jüdischen Familienleben / von Judäus
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mich entscheiden soll? Aber ich mache Dir einen Vorschlag zur Güte. Wir Mollen noch nachträglich eine Schäalo, aber nicht an einen Menschen, sondern an Gott richten."

Erstaunt blickte die Mackere Frau zu ihrem Manne aus und fragte:

Und wie willst Du das ansangen?"

Höre nur zu. Unsere Handlungsweise mit dem Esrog habe ich von vorhinein für ganz selbstverständlich gehalten. Erst als uns Rabbi Mendel die Zehnguldennote schenkte und dazu uns seinen Segen gab, ging mir eine Ahnung von der Möglichkeit auf, daß wir vielleicht lifnim mifchüras Haddin, d. h. in einer Weise gehandelt hätten, zu der wir nach strengem Recht nicht verpflichtet gewesen wären. Rabbi Mendel ist mir als frommer, gelehrter und wohlhabender Mann noch aus der Zeit seines Jeschibabesuches bekannt. Wir wollen nun folgende Probe machen. Von den zehn Gülden brauchen wir nicht die Hälfte, um ganz Jomtof sorgenfrei zu leben. Die übrigen fünf Gulden wollen wir in die Lotterie fetzen. Will Haschem boruch hu wirklich, daß wir reich werden sollen, so können wir aus diesem Wege bis in 14 Tagen 100 000 Gülden gewinnen. Will Er es aber nicht, nun, so sind unsere fünf Gülden aller­dings verloren, aber wir wissen wenigstens sicher, daß Gott meine Handlungsweise gerechtfertigt und den Besitz feiner Miz- woth für ein größeres Glück hält, als den Besitz von Geld und Gut."

Mit diesem salomonischen Urtheile erklärte sich die Frau zur großen Freude ihres Gatten einverstanden. Er selber War von dieser Art der Entscheidung gar nicht so sehr erbaut, da l ihm fünf sichere Gulden lieber waren, als Hunderttausende höchst zweifelhafte. Aber höher stand ihm der Friede seines