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Eine ungekannte Welt : Erzählungen aus dem jüdischen Familienleben / von Judäus
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kündeten mit jeder Bewegung seinen hohen Rang; jeder Zoll ein Roschhakohol!

Wie man sich doch irren kann," sagte Rabbi Moscheh,, ich hätte sicher geglaubt, ein armer Mann poche an die Thüre, denn ich kenne seit vielen Jahren unseres Verkehrs jeden Schritt und Tritt Eures Ganges, sowie Eure Art und Weise, an die Thüre zu klopfen."

Rabbi, Ihr seid ein Engel Gottes. Eure vermeintlichen Jrrthümer enthalten mehr Wahrheit, als die tiefgründigste Weisheit von Menschen unseres Schlages; kann ich den Rabbi einige Minuten ganz allein sprechen?"

Statt jeder Antwort schloß der Rabbi die Thüre ab und nöthigte seinen Gast, Platz zu nehmen.

Der Letztere holte tief Athem und mußte einige Sekunden vor innerer Erregung innehalten, dann stieß er in kurzen, ab­gebrochenen Sätzen die wenigen Sätze hervor:

Ich habe dem Rabbi ein tiefes Geheimniß mitzutheilen und möchte dafür den Rath des Rabbi erbitten. Ich bin ein verlorener, unglücklicher Mann, der vollkommen ruinirt ist."

Erschrocken blickte Rabbi Molscheh Sofer in die von tiesem Gram durchfurchten Gesichtszüge seines Gastes. Er konnte seinen Mick nicht prüfen, da er die Augen wie ein Schuldiger zu Boden geschlagen hatte. Aber der fliegende Athem, die pochenden Schläfenpulse und der silberbeschlagene Stock, der jede Bewegung der zitternden Hände verrieth, das alles sagte dem aufmerksamen Beobachter, daß etwas ganz Un­gewöhnliches sich ereignet haben müsse.

Welche Sünde habt Ihr denn begangen, daß Ihr Euch für so unglücklich und für vollkommen verloren erachtet?" fragte leise der Rabbi.