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Eine ungekannte Welt : Erzählungen aus dem jüdischen Familienleben / von Judäus
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kommt der steinreiche Roschhakohol dazu, vom Rabbi hundert Gulden zu leihen? Aber was noch viel räthselhafter schien, wie dars der Rabbi mit den hundert Gulden den Ring als Er­kenntlichkeit für die geübte Wohlthat nehmen, der Ring ist ja der reine Zins für das geliehene Kapital? Und der Rabbi sollte das übersehen?

Wir sind verpflichtet," raunte einer leise dem andern zu,den Rabbi auf die Sünde aufmerksam zu machen, die er zu begehen im Begriffe ist."

Bist Du von Sinnen," flüsterte der andere zurück, w i r sollten unseren Lehrer an das Gesetz Gottes erinnern dürfen, das er im Schlafe besser inne hat, als wir im wachen Zustande? Das wäre eine unverzeihliche Anmaßung, zu der ich mich niemals hergebe."

Wenn der Name Gottes entweiht wird, tritt die dem Lehrer schuldige Ehre zurück, sagen unsere Weisen. Sieh' doch die Freude, die der Rabbi mit dem Ringe hat und wie er ihn von einem Finger an den andern steckt. Ich rufe jetzt laut nur das Wort: Ribbis (Zins), das sind wir verpflichtet."

Vielleicht hast Du Recht. Aber jedenfalls wollen wir der Sache doch erst einmal ihren Lauf lassen, vielleicht fällt es dem Rabbi noch selber rechtzeitig genug ein. Wenn der Rosch- hakohol das Zimmer verlassen und der Rabbi den Ring be­halten wird, dann ist für uns erst die Zeit zum Reden ge­kommen."

Wieder vergingen zwei lange Minuten, die der Rabbi mit Ausdrücken der Verwunderung über den prächtigen Ring ausfüllte, als sich Rabbi Moscheh Sofer plötzlich an den Rosch- hakohol wandte: