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Roschhakohol — und damit auch uns — so lange in der Meinung gelassen, als wolle der Rabbi das Geschenk annehmen-?"
„Eure Frage ist berechtigt," erwiderte der Rabbi mit einem Anflug innerer Ergriffenheit, die ihn unwillkürlich überkam, so oft er von seinem eigenen, großen Lehrer sprach. „Das, was ich hier gethan habe, habe ich von meinem unvergeßlichen Lehrer Rabbi Nathan Adler, das Andenken des Gerechten werde zum Segen, einmal bei einer merkwürdigen Veranlassung zu lernen das Glück gehabt. Als ich noch in meiner Vaterstadt Frankfurt am Main zu Füßen dieses meines einzig großen Lehrers saß und sein Licht auch über meinem Haupte leuchtete, trug sich einmal folgende Begebenheit zu: Eine kleine jüdische Gemeinde im Odenwald war durch gehässige, lügenhafte Anklage in ihrer Existenz bedroht und sollte von Haus und Hof verjagt werden. Das Städtchen gehörte zu den Besitzungen des Fürsten von Dalberg, der zu den treuesten Beschützern der Juden zählte und mit dem auch mein theurer Lehrer persönlich befreundet war. Davon hatte die hart bedrängte Gemeinde Kenntniß, sie hatte deshalb eine Deputation an Rabbi Nathan Adler geschickt, er möge sich für sie bei dem Fürsten verwenden, da sonst der Bestand der Gemeinde und Gut und Blut ihrer Mitglieder auf's äußerste gefährdet sei. Die Deputi-rten waren in Frankfurt eine halbe Stunde vor Eintritt des Sabbat Chanuka eingetroffen. Der Fürst war zur Zeit nicht in Frankfurt, sondern weilte aus einem seiner Güter in der unmittelbaren Nähe von Gelnhausen. Sofort nach Ausgang des Sabbat schickte mein Lehrer nach einem Wagen, um die Nacht durchzufahren und Sonntag früh bei dem Fürsten vorzusprechen. Es war aber kein Wagen auszu-