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Eine ungekannte Welt : Erzählungen aus dem jüdischen Familienleben / von Judäus
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Aber er war ein leidenschaftlicher Freund von Disputationen über religiöse und philosophische Gegenstände. Bei solchen An­lässen hatte sich der hochgebildete, weltkluge Don Abarbanel immer als der überlegene gezeigt.

König Alfonso hätte ein Stück seines Reiches darum ge­geben, seinem jüdischen Rathgeber einmal einen Jrrthum nach­zuweisen. Deshalb bereitete es ihm gar keine Skrupel, dieser, seiner Schrulle, das Lebensglück seines Vetters zu opfern. Von einem Opfer konnte auch in Wirklichkeit kaum die Rede sein. Er wollte ihm eine junge, hübsche Obstverkäuserin aus­suchen, mit welcher die Honigmonate seiner Ehe zu verleben, ihm keine große Ueberwindung kosten sollte. Nach Verlaus der­selben sollte der jungen Frau auch die zum Erscheinen am Hofe nöthige Rangerhöhung werden, was spräche auch dagegen? Er brannte vor Begierde, den Plan sofort auszuführen, um Don Abarbanel möglichst rafch seines Jrrthums zu überführen.

Der König setzte sich an seinen Schreibtisch nieder und schrieb einige wenige Zeilen an den Herzog Fernando von Bragenza, des Inhalts: es sei sein königlicher Wunsch, daß der Herzog die Ueberbringerin dieser Zeilen heirathe, und daß weder er, noch sie, das' herzogliche Palais verlasse, bis sie die angetraute Gattin des Herzogs sei. Er setzte Namen und Siegel unter die verhängnißvollen Zeilen, legte sie zusammen­gefaltet in ein Couvert, versah dasselbe mit Adresse und Siegel, legte Hut und Mantel an und verließ das königliche Schloß mit dem Brief in der Tasche. Auf dem äußersten Ende des geräumigen Platzes vor dem Schlosse machte er Halt. Niemand hatte bis dahin den Mann mit dem tief in's Gesicht gedrückten Hut als den König erkannt.

Auf dieser Seite des Schloßplatzes war eine große An-