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Eine ungekannte Welt : Erzählungen aus dem jüdischen Familienleben / von Judäus
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Die Obsthändlerin brachte schleunigst ihre Körbe in die Bude zurück und als sie eben die zwei Kasten mit Feigen und Datteln in Sicherheit gebracht hatte, kam mit einem mächtigen Karren voll der schönsten Früchte der Gemüsehändler Gaspard angesahren. Er galt als der gefürchteste Nebenbuhler bei allen Verkäuferinnen. Wenn er seine schönen Früchte und Blumen mit seiner schönen, sonoren Stimme zum Verkauf an- bot, konnte keine der vorübergehenden Damen dem verlockenden Angebot widerstehen. Alles strömte dann zu ihm hin und die anderen Händlerinnen hatten das Nachsehen. Sie suchten ihm daher durch alle möglichen Chikane das Geschäft zu verleiden, vor Allem dadurch, daß sie jedes Plätzchen besetzten und Vor­gaben, es sei kein Platz für ihn da. Als daher Gaspard unsere Heldin die Körbe in ihre Bude zurücktragen sah und gewahrte, wie sie im Begriffe sei, die Bude zu schließen, ries er ihr höhnisch zu:

Das ist aber schön von Dir, Lucia, daß Du mir so bereitwillig Platz machst und Deinen Laden schließest, wenn ich den weinigen öffnen will; jetzt habe ich den schönsten Platz auf dem Markte und kann direkt vor Deinem Stand den meinigen aufschlagen."

Das konnte die so Verspottete nicht über sich ergehen lasten. Wenn sich dieser abscheuliche Mensch hier auch nur einmal an dieser Stelle einnistete, so würde er daraus für morgen schon ein ganzes Privilegium herleiten und sie für alle Zeit von hier verdrängen. Glücklicherweise ging gerade eine alte, befreundete Wäscherin mit einem schweren Korb voll Wäsche vorüber.

Würdet Ihr mir einen großen Gefallen thun; es soll Euer Schaden nicht sein. Bringt mir diesen Brief in das