396
Da auf die Frage, statt einer Antwort nur ein vieldeutiges Achselzucken folgte, fuhr Christine fort:
„Und nun male Dir einmal den Gedanken aus: Christine von Wanfried, die Tochter des Generalmajor von Wanfried, eine Jüdin! Gäbe es für unsere Familie eine größere Entehrung als die Schmach, daß ihr geliebtes Kind, «inen solchen Schritt thäte? Wir sind treu überzeugte Christen, wir Verkehren nicht mit Juden und Juden verkehren nicht mit uns; als meine Eltern vor Jahresfrist nur hörten, daß wir uns kennen, gab es eine Scene, die mich einen viermonatlichen Hausarrest kostete. Es ist heute seit vier Monaten das erste Mal, daß ich wieder in die Gesellschaft wie sonst darf. Aber man hat mir Spione nachgeschickt, um jedes Zusammentreffen mit Dir sofort zu verhindern und meinen Eltern zu berichten. Ich habe Rosine verboten, daß sie mit irgend Jemanden ein Wort mehr als im Vorübergehen spricht. Man würde sonst der Maske nachgehen, um sestzustellen, ob Du nicht etwa dahinter steckst. Kann ich unter solchen Umständen nicht schwerer Jüdin werden, als Du Christ? Und doch würde ich vor dem Schritt und dem Bruch mit meinen Elstern nicht zurückschrecken, wenn ich nur sicher wäre, daß Deine Eltern dann ihre Zustimmung zu unserer Verbindung geben."
„Das ist es ja eben," bemerkte mit tiefer Nachdenklichkeit der Maltheserritter Arthur CohnstamM, „daß es aus der Sackgasse, in die wir eingesperrt sind, keinen Ausweg giebt. Da ihr kaum so viele Hunderttausende habt, als wir Millionen, so sieht mein Vater diese Verbindung als eine Mesalliance schlimmster Sorte an, auch wenn Du xine Jüdin wärest. Vielleicht würde ihn die Verschiedenheit des Besitzes aber nicht hindern seine Einwilligung zu geben, wenn er dadurch in ver-