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„Wer sagt denn, daß ich keine Liebe zum Judenthum hätte?" —
„Sie selber, mein gnädiges Fräulein, sägten es mir ja, daß es die Liebe zu einem jüdischen jungen Manne ist, die Sie bestimmt. Das Judenthum können Sie schon deshalb nicht lieben, weil Sie es nicht kennen. Werden Sie aber erst die Ansprüche kennen lernen, die es an seine Bekenner stellt, so wird die Schwierigkeit, ihm gerecht zu werden, gewiß alles andere leichter zur Folge haben, als Liebe. Jedoch selbst angenommen, Sie würden das Judenthum auch wirklich lieben, o, würden Sie es eben nur auch lieben. Ihre erste Liebe gehörte Ihrem Geliebten und sie bliebe doch das erste und wahrscheinlich einzige Motiv Ihres Interesses für das Judenthum. Deshalb ist für Sie jede Möglichkeit ausgeschlossen, je Jüdin werden zu können."
„Gestatten Sie mir noch eine Frage?"
„Gewiß, ich stehe gerne zu Ihren Diensten."
„Wenn Sie die UeberzeugUng erlangt hätten, daß ausschließlich die Anhänglichkeit an das JUdenthum meine Bekehrung zu ihm bestimmt, würden Sie mich dann aufnehmen?"
„Auch dann könnte ich Ihrem Wunsche nicht ohne weiteres entsprechen. Dann wäre es meine Pflicht, Sie auf die weitgehendsten Folgen aufmerksam zu machen, die ein solcher Schritt für Sie haben muß. Sie verlassen die herrschende Staatsreligion, in welcher Sie geachtet und geehrt dastehen und schließen sich einer Religion an, deren Bekenner so viele Zurücksetzungen, Kränkungen und selbst Verfolgungen gerade wegen ihres religiösen Bekenntnisses zu erdulden haben. Warum sollten Sie das thun? Wenn Sie Ihrer Religion treu bleiben und ihren Satzungen gemäß einen frommen Lebens-