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Eine ungekannte Welt : Erzählungen aus dem jüdischen Familienleben / von Judäus
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Einen besseren Beweis ihrer opferbereiten Liebe und Treue kennte sie ihrem Geliebten nicht geben.

Auch darin willigte Herr Dr. I. Christine nahm an­geblich jeden Nachmittag einen soeben eröfsneten Kursus im Sticken und Nahen mit, um ihre Eltern über ihre Abwesenheit vom Hause zu täuschen. In Wirklichkeit genoß sie aber in dieser Zeit den Religionsunterricht des Herrn Predigers ver Reformgemeinde. Als alle Formalitäten erledigt waren, theilte Herr Dr. I. seiner Convertitin auch mit, daß man in früherer Zeit es rigoroser mit der Aufnahme von Proselyten genommen hätte. Ihm genüge ihre eidliche Versicherung daß sie in aller Zeit und Fahrniß treu dem Judenthume angehören wolle; einen Eid, den Christine auch ohne langes Besinnen leistete. Sie hätte auf Verlangen ein halbes Dutzend Eide geschworen, wenn sie ihre Sache so glatt und rasch erreichen konnte.

Schon drei Tage vor dem 16. März waren alle Förm­lichkeiten erledigt und Christine hätte es schwarz auf weiß in der Tasche, daß sie nun Jüdin sei. Sie hieß nunmehr Sara. Sie brannte vor Begierde diese Bescheinigung ihrem Arthur bei ihrem bevorstehenden Rendez-vous zu überreichen. Der 16. März kam heran. Sie ging wie gewöhnlich! in die Straße, in welcher der angebliche Stick-Cursus abgehalten wurde, nahm dort eine Droschke und fuhr in's Cass Tivoli. Schon von der Ferne sah sie ihren Arthur sehnsüchtig nach ihr ausblicken. Roch wenige Minuten und sie lagen sich in den Armen.

Liebe Christine, ich habe Dir eine bedeutsame Ueber- raschung mitzutheilen, die, wie ich hoffe, unser Geschick günstig wenden wird; ich habe mich taufen lassen, ich bin jetzt Christ und nichts hindert-"