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Eine ungekannte Welt : Erzählungen aus dem jüdischen Familienleben / von Judäus
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Knechtschaft in Mizrajim. Nur in U. giebt man keinen Seder, und warum? Weil vielleicht Feinde kommen und über uns herfallen könnten. Und wenn sie wirklich kämen? Lebt denn unser alter Gott nicht mehr? Steht's nicht da in unserer Peßach - Hagada, daß dies es ist, was uns und unsere Vätern beiigestanden hat? Ist denn das nur einmal vorgekommen, daß einer aufgeständen ist, uns zu vernichten, stehen sie nicht in jeder Zeit uns zu vernichten bereit und der HeMge, gepriesen sei Er, hat uns noch immer von ihrer Hand gerettet? Und da sollt ich meinen Sederabend mir und meiner Familie stören lasten? Haben wir denn heute Abend nicht Lel Schimurim, die Nacht der besonderen Gotteshut, und da sollten wir statt von Gott, gepriesen sei Er, von einem sterblichen Menschen und von Stöcken und Texten Schutz erwarten? Diesmal hat unser Parnes ganz gewiß nicht Recht, wenn er es auch noch so gut meint. Die Gemeinde mag über mich denken, wie sie immer will, ich und mein Haus wollen Gott dienen und aus unsere Stöcke nicht vertrauen."

So beredt hatten die drei Abgesandten Aron Nier noch nw gehört. Beschämt schlichen sie sich fort und erzählten der harrenden Gemeinde, was sie soeben vernommen. Aber in der Nier'schen Familie wurde die Peßach-Hagada ganz wie sonst zu Ende gelesen, die Pokale wurden gefüllt und geleert, das armselige Brod, wie es die Väter aßen, und die bitteren Kräuter wurden, nach Vorschrift genossen, das Esten wurde ausgetragen und dann das Tischgebet gesprochen. Man schien den Feind ganz vergessen zu haben, an dem Nier'schen Familientisch wenigstens. Nach dem Tischgebete öffnete der zehnjährige Joses dem Brauche gemäß die Thüre und warf bei dieser Gelegenheit einen scheuen Blick in der Richtung nach S.