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Eine ungekannte Welt : Erzählungen aus dem jüdischen Familienleben / von Judäus
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daß das derselbe Aron Nier ist, den wir sonst nur in seinem blauen Kittel aus dem Viehmarkt zu sehen bekamen!"

Ein Tropf wie Du, sieht nur den blauen Kittel; aber ich habe das wackere Herz, das unter diesem Kittel schlägt, schon seit vielen Jahren kennen gelernt. Du weißt, daß ich einmal Pfarrer werden sollte, ich bin jedoch zu früh aus der Kutte ge­sprungen. Aber mancher Vibelvers ist noch unter meiner rothen Perücke hängen geblieben, doch was ich da sehe, dazu weiß ich keinen Text, weder im alten noch im neuen Testament. Was sind doch die armen gehetzten Juden für glückliche Menschen, und was sind wir nichtsnutzige Schurken, die wir ausgezogen sind, das'Glück dieser Menschen zu zerstören!"

Du wirst ja weich, wie Butter in der Sonne, das rührt Wohl auch noch aus Deiner Pfaffenzeit her?"

Schweig, dürre Gälgenstange, sieh' und hör' Dir doch einmal diese Menschen an, sie haben keine Ahnung davon, daß vor ihren Fenstern Mordbuben stehen, die ihnen nach Gut und Blut trachten! Jetzt fällt mir auch der rechte Bibeloers ein: Wie ehrfurchtgebietend ist dieser Ort, das ist nichts anderes als ein Gotteshaus, und das ist die Pforte zum Himmel!" «Siehst Du nicht die Herrlichkeit Gottes ausgegossen über diese Menschen?"

Ich sehe nichts, Du hast wohl zu viel unterwegs ge­trunken, aber ich habe mich nüchtern gehalten. Aber da sehe ich ja auch einen großen, steinernen Weinkrug auf dem Tisch, wollen wir den nicht wenigstens leeren?"

Langes Scheusal! wenn Du die Hand gegen diese Menschen erhebst, schlage ich Dir sie vom Arm! Mir wird un­heimlich in dieser Gesellschaft, und unsere Leute fangen an, unruhig zu werden. Wir kehren um und lassen für heute Nacht das Dorf ungeschoren!"