441
Wasserträger und fast alle sonstigen Professionisten haben ihr besonderes Lehrhaus, in welchem sie täglich ihr Gebet verrichten und Abends, nach der harten Arbeit des Tages, sich zusammenfinden, um dem Studium der Thora einige Stunden zu widmen. Diese Professionisten bilden besondere Chebrotb, von welchen jede ihren Vortragenden Lehrer (Rebbe) hat. Diesem wollte Sundel die Frage heute Abend vorlegen.
Aber Sundel hatte es heute Abend schlecht getroffen. Als er in das Beth Hamidrasch eintrat, traf er schon einen großen Theil der Genossen versammelt, aber gelernt wurde noch nicht, obwohl die Bücher offen da lagen. Ein ungewöhnliche Erregung sprach aus allen Mienen. In wenigen Minuten hatte Sundel erfahren, was vorlag.
Für die Leser, welche mit den Personalien der Gemeinde Trosk weniger bekannt sind, möge hier Folgendes bemerkt werden: Die Seele der ganzen Gemeinde war der greise, tiefgelehrte, gottessürchtige Rabbiner Rabbi Joel. Seit einigen Tagen war die Rabbinerin schwer erkrankt und in allen Bethäusern wurden unablässig heiße Gebete für deren Genesung zum Himmel gesandt. Vor wenigen Stunden nun hätte der Rabbiner durch den Gemeindediener mittheilen lassen, man möge die Gebete für die Kranke einstellen, dieselbe sei gerettet. Und doch hatten weder die Aerzte, noch die zahlreichen Besucher und Besucherinnen irgend welche Veränderung in dem Zustande der Kranken constatiren können. Aber während Alle rathlos das Krankenbett umstanden, war der Gatte aus seinem Lernzimmer in die Krankenstube getreten und hatte mit verklärtem Blick den Anwesenden mitgetheilt, sie mögen unbesorgt sich zurückziehen, Gott habe das Gebet der Gemeinde erhört, die Kranke sei gerettet.