Druckschrift 
Eine ungekannte Welt : Erzählungen aus dem jüdischen Familienleben / von Judäus
Seite
442
Einzelbild herunterladen

442

Niemand hätte gewagt, den Rabbiner zu fragen, woher ihm diese Gewißheit geworden sei, auch wenn er sich nicht sofort wieder zurückgezogen hätte. Um so reichlicher ergingen sich Alle in Vermuthüngen über diesen wunderbaren Zwischenfall. Die einen vermutbeten, Rabbi Joöl habe durch ein Traumgesicht die gute Nachricht erhalten, andere glaubten, als berühmter Kabbalist habe der Rabbiner das Geheimnih mit Zuhilfenahme der Kabbala ergründet und eben waltete im Beth Hamidrasch die Diskussion über den geheimnißvollen Vorgang, als gerade Sundel eintrat.

Rabbi Schmelke, der Vortragende Lehrer der Chewro, hatte eben eine Prise genommen und trommelte mit einem über­legenen Lächeln auf dem Deckel der Tabaksdose. Er ließ ruhig die Diskussion wogen, wußte er ja, daß er zuletzt doch inter- pellirt werde, um endgültig seine Meinung über den mysteriösen Vorgang zu sagen. Rabbi SchMelke's triumphirende Ruhe mitten in der hochgradigen Erregung verfehlte ihre Wirkung nicht. Es dauerte nicht lange und einer der Kühnsten wagte an den Rebbe die Frage, was er denn eigentlich von der Sache halte.

Dieser nahm wiederum eine Prise und hob mit ge­dämpfter Stimme an:Es weiß keiner von Euch, was hier eigentlich vorgeht, und ich weiß nicht, ob man den EMmcs so laut Jedem sagen darf. Das aber kann ich Euch sagen, alles, was ich heute Abend über die Sache hier gehört habe, ist hewel hawolim."

Die apodiktische Gewißheit, mit welcher dieses Urtheil abgegeben wurde, ließ keinen Zweifel mehr darüber, daß Reb Schmelke mehr wußte, als sich die Schulweisheit seiner Zuhörer träumen ließ. Man drang nun erst recht in ihn, das Geheim- niß zu enthüllen; aber Reb Schmelke blieb fest. Einen Ein-