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Eine ungekannte Welt : Erzählungen aus dem jüdischen Familienleben / von Judäus
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gewöhnlich überfüllt, bis sich nach und nach etwa gegen zehn Uhr der größte Theil entfernt hatte und nur noch wenige zu­rückblieben. Diese wenigen veranlaßte ich durch Bitten und Vorstellungen aller Art mich heute Nacht allein zu lassen. Es hielt schwer, bis ich sie endlich bewegen konnte, sich meinem ungewöhnlichen Verlangen zu fügen. Endlich war ich allein. Zur Vorsicht wollte ich die Thüre schließen, aber kaum hatte ich sie geschlossen, wird an dieselbe gepocht. Ich öffne und Israel Glaser, der halb erfroren von seiner Arbeit aus F. zurückkam, bat mich um Einlaß. Er sei so durchgefroren, daß er nicht weiter könne, wenn er sich nicht ein Stündchen in dem gut ge­heizten Beth Hamidrasch erholen dürfe. Da immer noch nicht Mitternacht war, um welche Zeit ich did Erscheinung erst er­wartete, hegte ich Mitleid mit dem arMen Manne, und ich ließ, ihn eintreten. Kaum saß er an dem warMen Ofen, so schlief er fest ein, und ich hatte nach einer Stunde alle Mühe, ihn wach zu bekommen. Er wollte durchaus die Nacht im Beth Hamidrasch zubringen, wie er es schon oft gethan hatte. Ich bemerkte ihm, dies sei heute unmöglich, das Beth Hamidrasch werde geschlossen und sei heute Nacht für Niemanden zu­gänglich.

Israel Glaser wurde bei dieser Mittheilung ganz un- geberdig. Das sei eine schöne Ordnung, ein Beth Hamidtasch das Tag und Nacht für jeden offen stüNde, zu schließen. Morgen wolle er es in der ganzen Khille bekannt machen und es vor allen Dingen dem Rabbiner klagen, daß man nicht mehr zu jeder Zeit in's Beth Hamidrasch dürfe. Es war schon fast Mitternacht und nur mit vielen Drohungen und guten Worten Krachte ich's zu Wege, daß er das Beth Hamidrasch verließ. Rasch wollte ich die Thüre verriegeln, in der festen lieber--