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Eine ungekannte Welt : Erzählungen aus dem jüdischen Familienleben / von Judäus
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zeugung, der erwartete hohe Gast werde sich auch durch ver­schlossene Thiiren Eingang zu verschaffen wissen.

Aber ich war noch nicht die Treppe oben, als wieder an die Thüre gepocht wurde. Ich vermüthete, Israel Glaser müsse noch einmal zurückgekommen sein, und da ich fürchtete, er könne vor dem Hause Tumult anfangen, so eilte ich rasch zurück, um ihn zu beruhigen. Diesmal war es ein Hausirer mit schwerem Packen, der durchfroren und durchnäßt von dem ungewöhn­lichen Schneesturm, der draußen tobte, um Einlaß in das Beth Hamidrasch flehte.

Jetzt war meine Geduld zu Ende. Denkt Euch, nach vierzigtägigem Fasten und in der fieberhaften Erwartung des mir Bevorstehenden, wäre auch vielleicht ein anderer in Mehr als gewöhnliche Aufregung gerathen, wenn ihm nun alles durch diese Zudringlichkeiten in Frage sollte gestellt werden. Ich Wies den Eindringling kurz und barsch ab, das Beth Hamid­rasch sei keine Wärmeanstalt für uMherzrehendes Volk, das man nicht kenne, er möge seines Weges gehen. Der Hausirer. der schwer unter seiner Last keuchte, betheuerte, er sei verloren, wenn er diesem Sturm weiter ausgesetzt bleibe, aber ich blieb diesmal hart, schloß die Thüre heftig zu und ging zu meiner Gemoro zurück.

Der SturM raste, daß die Fenster klirrten, ich blickte zu ihnen empor, als sollte der ersehnte Geist durch sie kommen; denn jetzt schlug es gerade zwölf, aber der SturM legte sich bald wieder. Ich dachte unwillkürlich an das Wort Elijahus: »Nicht im Sturme ist Gott ." Dann folgte kurz nach Mitter­nacht eine lautlose Stille, die ich als die sichere Vor'bottn des Propheten hielt. Es wurde ein Uhr, zwei Uhr, gespannt horchte ich auf jede Bewegung, sah in die Höhe, sah seitwärts.