Druckschrift 
Eine ungekannte Welt : Erzählungen aus dem jüdischen Familienleben / von Judäus
Seite
458
Einzelbild herunterladen

Dann ging die besorgte Mutter zurück, kleidete ihre beiden ältesten Söhne an, damit sie zum Morgengebet in das Beth Hamidrasch gehen konnten, die vier kleinsten schliefen noch in ihren Bettchen. Das fromme Bieder'Weib nahm das Gebetbuch in die Hand und betete mit der ganzen Innigkeit eines gottergebenen Herzens das Morgengebet. Sie war noch nicht damit zu Ende, als mit ungestümer freudiger Hast der Mann zuriickkehrte.

Dein Wunfch, liebe Frau, hat sich erfüllt, rascher als wir es hätten ahnen können. Als ich eben die Judengasse ver­lassen und in die Hauptstraße eingebogen war, fuhr der Post­wagen vorbei. Der Tag hatte gerade zu dämmern angefangen, und ich sehe, wie sich der Hintere Poftwagenverschluß öffnete und zwei Paquete herausfielen; ein kleines und ein größeres. Das kleinere steckte ich in meinen Sack, rief dann dem Postillon Riemer, den ich kenne, daß er halten solle, gab ihm das eine Paquet und ging mit dem anderen rasch Nach Hause. Was meinst Du, Was auf dem Paquet steht? Inhalt 30 000 Gulden!"

Warum hast Du denn das Werthpaquet erst nach Hause gebracht und es nicht gleich dem Postillon zurückgegeben?"

Wie kannst Du nur so thöricht fragen. Weil wir kein Holz und kein Brod haben und weil Wir nun aller Sorge ledig sind, nachdem sich Min Wunsch, daß der Prophet Elijahu helfen möge, sich sobald erfüllt hat."

Bist DU von Sinnen? Mein Wunsch? Ich habe doch nie gewünscht, daß Du ein Dieb werden mögest, und Du bringst noch gar den Propheten Elijahu mit dieser Unredlichkeit in Verbindung, Simon, ich kenne Dich ja gar nicht mehr."