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Eine ungekannte Welt : Erzählungen aus dem jüdischen Familienleben / von Judäus
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Ich will ja das Geld nicht behalten. Ich will das Nöthigste anschaffen, vielleicht auch ein paar hundert Gulden daraus nehmen, damit ich ein ordentliches Geschäft anfangen kann, und sobald der Himmel feinen Segen dazu giebt, will ich auch das wieder zurückerstatten."

Sprich doch nicht vom Segen des Himmels in demselben Athemzug, in dem Du eine solche Schlechtigkeit beschönigen willst. Bin ich von Sinnen oder bist Du es, bist Du der brave, rechtschaffene Simon Jesiel, als den Dich die ganze Gemeinve kennt, oder bist Du es nicht mehr? Sofort bringe das Geld zurück, und wenn Du nicht willst, so gieb es mir, und ich werde es auf die Post tragen."

Liebe Frau, Du bist ein Glück theuerer als Gold und Edelsteine, aber wo sollen wir Brod und Holz für unsere hüngernden und frierenden Kinder hernehmen, und Oel für die Chanukalichte? Glaube mir, es ist eine himmlische Fügung, daß wir so rasch reich geworden sind, daß-"

Was?", unterbrach ihn heftig das Biederweib,wir find reich geworden? Reich, lehren unsere großen Weisen, ist der­jenige, der sich seines T'heiles freut. Könnten wir solchen Reichthums je froh werden, könnte ich Brod, könnte ich Kleider von gestohlenem Geld« anschaffen, ohne daß die Scham mich zu Boden zöge, dhne daß ich glaubte, die ganze Welt deutete mit Fingern auf mich,' Simon, bring das Geld zurück, aber rasch, ehe unsere Knaben vom Morgengebet nach Hause kommen, ich müßte vor ihnen aus Schäm in die Erde sinken, wenn sie je erführen, was für Eltern sie haben. Simon, gib das Geld zurück!"

Das Geld, liebe Frau, kann und darf ich nicht zurück­geben, es hätte meine sofortige Verhaftung zur Folge. Auch