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Eine ungekannte Welt : Erzählungen aus dem jüdischen Familienleben / von Judäus
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Diese Worte Hatten das Eis geschmolzen, das sich um das Herz Jessel's gelegt hatte. Thränen tr'aten ihm in die Augen; er trat zu seinem Weibe hin, ergriff die dargebotene Rechte und konnte nur schluchzend die Worte Hervorbringen:

Du bist gerechter als ich, Rahel. Verzeihe mir, wenn mich die Sorge um Dich und unsere armen Kinder zu einem solchen Schritt Hinreißen ließ, verzeihe mir, wenn ich in einer schwachen Stunde mich zum Diebstahl und zu rohen Worten gegen Dich verleiten ließ. Ich will alles wieder gut machen, aber wenn ich das Geld zurück bringe, werde ich auf Jahre lang in's Gefängniß geworfen, was soll ich anfangen?"

Schaffe nur einmal das Gestohlene wieder aus unserem Hause fort, Gott wird Dir schon einen rechten Weg zeigen. Wer rein werden will, dem hilft der Himmel dazu," sagen unsere Weisen."

Aber der Himmel half dieses Mal nicht. "Rasch erhob sich Jessel, um den Schrank wegzurücken und das Paquet wieder zu sich zu stecken, als die beiden Knaben, vom Morgen­gebet zurückgekehrt, die Thüre öffneten, gefolgt von dem Postillon, zwei Polizisten und einem höheren Postbeamten.

Ist das der Hausirer Jessel," fragte der Postbeamte den Postillon,von dem Ihr sagt, daß er Euch aus das gebrochene Schloß am Wagen und die herausgefallenen Poststücke auf­merksam gemacht hat?"

Gewiß, Herr Direktor, das ist der Jesiel, das weiß ja jedes Kind; er ist ein ehrlicher, rechtschaffener Mann, und er wird gewiß Zeutzniß ablegen, daß ich von dem fehlenden Werth- paquet nach Budweis absolut nichts wissen kann."

Erzählen Sie uns doch einmal, Herr Jesiel, was Sie von der Sache wissen," sagte der Postdirektor.