Druckschrift 
Eine ungekannte Welt : Erzählungen aus dem jüdischen Familienleben / von Judäus
Seite
473
Einzelbild herunterladen

473

mein Zimmer geworfen hat? Nein, das ist ausgeschlossen, aber lägen die Dinge trotzdem derart, so wäre die Frau von Simon Jessel eine Frau, die mit viel Klugheit gehandelt hat, daß sie mich darüber im Unklaren ließ. Ich bin dadurch mit meinen zu treffenden Maßnahmen weniger gebunden. Ich kann ja mit Fug und Recht behaupten, daß ich nicht weiß, wie das Paquet in meine Hände gekommen ist. Simon Fessel hat es jedenfalls nicht in mein Zimmer geworfen, der sitzt hinter Schloß und Riegel."

Mit diesen Worten schloß der Rabbi das Paquer in einen Seitenschrank und steckte den Schlüssel in die Tasche. Sinnend ging er im Zimmer aus und ab, er konnte zu keinem Entschlüsse kommen. Gab er den gestohlenen Gegenstand bei Gericht ab, so lag der Verdacht offen, daß einer aus der jüdi­schen Gemeinde der Dieb sein müsse, und man würde Simon Jessel wahrscheinlich nicht nur nicht aus der Haft entlassen, sondern das Gericht müsse mehr a>ls je von seiner Schuld über­zeugt sein, falls sich kein anderer Dieb fände. Und es galt, rasch zu handeln! Wer konnte wissen, ob nicht irgend ein raffi- nirter Verbrecher, den Werthgegenstand dem Rabbiner in das Haus geworfen und ihn bereits als denjenigen bei der Polizei denunzirt habe, bei dem man nur nachsuchm solle, um das Ge­wünschte zu finden?!

Der Gedanke an die Möglichkeit eines solchen Bilbul (Jntrigue) bestimmte den Rabbiner, das Paquet wieder aus seinem Verließ hervorzunehmen und es wieder eingewickelt in das Tuch auf die Stelle zu legen, von welcher es kurz vorher aufgehoben wurde. Wenn ihn die Kriminalpolizei mit einer Haussuchung überraschen und den Gegenstand ihres Suchens auf dem Zimmerboden hart bei der Stubenthüre finden werde,