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Eine ungekannte Welt : Erzählungen aus dem jüdischen Familienleben / von Judäus
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Ich bin morgen früh schon zur Frühmesse in der Kirche. Ihr braucht dann nur zu meinem Beichtstuhl zu kommen, das klebrige wird sich dann leicht erledigen lasten."

Aber, Eminenz begreifen, daß ich das bei meiner amt­lichen Stellung nicht so ohne weiteres kann. Was würde meine Gemeinde sagen, wenn ihr Rabbiner zur Frühmesse in die Kirche ginge und dort die Beichte ablegte? Wäre es nicht mög­lich, daß ich meine Beichte außerhalb der Kirche, etwa in Hoch- dero Wohnung ablegte?"

In Ausnahmefällen ist das wohl zulässig, und da ein solcher Ausnahmefall hier vorliegt, so trage ich keinerlei Be­denken, Eurem Wunsche zu willfahren."

Und auf die Heilighaltung des Beichtgeheimnisses hat dieser Umstand keinen Einfluß?"

Nicht den geringsten. Und da ich sehe, daß es Euch da­ran liegt, Euer Herz bald zu erleichtern, so will ich Euch heute Nachmittag von zwei Uhr an in meiner Wohnung erwarten. Also auf Wiedersehen heute Nachmittag."

Bei diesen Worten reichte der leutselige Priester dem Rab­biner zum Abschied die Hand und ging der Stadt zu, während dtr Rabbiner seinen Spaziergang noch einige Minuten fort­setzte, um dann ebenfalls zur Stadt zurückzukehren.

Nachmittags zwei Uhr fand er sich pünktlich in der Woh­nung des Domherrn ein und wurde auf's freundlichste empfangen.

Unter dem Siegel des Beichtgeheimnisses übergebe ich Ew. Eminenz dieses Paquet, das heute Morgen während meines Tälmüd-Vortrages in mein Zimmer geworfen wurde, ohne daß ich weiß, von wem. Es ist das Poststück im Wertste von