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Eine ungekannte Welt : Erzählungen aus dem jüdischen Familienleben / von Judäus
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30 000 Gulden, das kürzlich gestohlen wurde, und das ich Ew. Eminenz bitte, dem Gericht zurückzugeben."

Erstaunt nahm der Domherr das Poststück in die Hand, prüfte sorgfältig die Siegel, und als er sie tadellos unverletzt fand, fragte er:

Aber warum wollt Ihr das Geld nicht selber zurück- geben?"

Wie ich Euer Hochwllrden bereits sckgite, ist mir das Werthstück auf ganz räthselhafte Weise zugegangen. Ich weiß nicht, ob es von einem Juden oder einem Christen mir gebracht wurde. Der arme jüdische Hausirer, aus den allein der Ver­dacht der Behörde fiel, hat es sicher nicht gebracht, denn er ist seit Wochen gefänglich eingezogen. Ich halte die Möglichkeit nicht für ausgeschlossen, daß mir das Paquet von christlicher Hand in's Zimmer geworfen wurde, um den Verdacht des Diebstahls auf einen Juden zu lenken. Dieser Zweck würde sicher erreicht, wenn ich das Paquet dem Gericht zurückgebe, und wird ver­eitelt, wenn es durch Ew. Hochwürden geschieht. Da dem Ge­richt das Beichtgeheimniß heilig ist, so wird man Ew. Eminenz nicht fragen, wie der Gegenstand in Hochdero Besitz gekommen ist."

Ihr seid wirklich ein gescheidter Mann, aber eins habt Ihr doch vergessen: daß nämlich demjenigen, der das Geld zu­rückgibt, ein Finderlohn von 600 Gülden zugesagt ist. Dieser Lohn fällt dann mir zu, wenn aber Ihr das Geld zurückgebt, so erhaltet Ihr die 600 Gülden. Mit Rücksicht daraus will ich Euch noch jetzt die Entscheidung lasten, da ich von Eurem Jrr- thum keinen Nutzen ziehen möchte."

Ehrwürdiger Herr! An diesen Punkt hatte ich aller­dings wicht gedacht und zwar wohl deshalb nicht, weil es uns