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Eine ungekannte Welt : Erzählungen aus dem jüdischen Familienleben / von Judäus
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meinde von dem schweren Verdachte frei war, der mehr als zwei Wochen auf ihr gelastet.

Es war fast Mitternacht, als Rahel mit ihrem Manne zum ersten Male allein war und alles, was vorgefallen war, ihm erzählen konnte. Als das wackere Weib geendet hatte, ent­gegnte Simon:

Gott sei Preis und Dank, daß ich wieder frei bin, und meinen Fehler so hart gebüßt habe, daß ich auch Gott gegenüber Widder rein dazustehen hoffen darf. Tausendfachen Dank aber dafür, daß das gestohlene Gut nicht mehr in unserem Hause ist; die Ungewißheit darüber hat mir heute schier das Herz abge­drückt, als mich die ganze Gemeinde wegen meiner vermeint­lichen Unschuld beglückwünschte. Wie es aber unserem Rab­biner gelungen ist, das Geld zurückzugeben, ohne daß ein Ver­dacht auf mich oder einen anderen Juden siel, das ist mir ein Rächst."

Jedenfalls," unterbrach ihn Rahel,mußt Du morgen selber zum Rabbiner gehen, meine Handlungsweise entschuldi­gen und Deinen Dank aussprechen; vielleicht erfährst Du bei diesem Anlaß Näheres. Nach zehn Uhr ist der Morgen-Schiur zu Ende, da störst Du den Herrn Rabbiner gewiß am we­nigsten."

Am andern Morgen begab sich Simon Jefsel zur bezeich­nten StuNde in das Haus des Rabbiners und wurde von dem­selben herzlich begrüßt und beglückwünscht. Als eben Jessel beginnen wollte, dem Rabbiner den ganzen Vorgang zu erzäh­len und die Glückwünsche als unverdient abzulenken, klopft es an die Thüre und hereintrat, zum großen Erstaunen der beiden Anwesenden, Herr Domherr Reinhold.