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redtsten Herolde dieser Stadtfliegenweisheit. So hat sie denn auch auf dem Teller Platz genommen urid läßt sich behaglich das leckere Mahl schmecken. So trefflich hat's ihr noch niemals gemundet! Sie leckt und leckt und saugt und saugt, bis es ihr zum Ekel geworden. Dann schwirrt sie angefüllt mit dem süßen Ballast, ihres Werthes sich bewußt, in die Höhe, flattert ganz verdutzt und verwirrt in der Glocke umher nach einem Ausgang, den sie nicht finden kann, bis sie ermattet die Flügel sinken läßt und in die todtathmende Rinne niedersteigt, wo ihr in wenigen Augenblicken das Leben entschwindet.
Ganz anders die philosophische Fliege. Sie ist klug und weise und geht so leicht nicht in die Falle. Schon etliche Male hat sie die Runde um den blinkenden Teller gemacht. Aber sie ist Pessimistin. Auch ihr ist Zucker ein wohlbekannter, aber immer willkommener Leckerbissen. Doch traut sie dem wunderlichen Bau nicht recht, der sich über dem unermeßlichen Zuckerseld wölbt. Auch entgehen ihrem geübten Auge die Leichen der Brüder urid Schwestern nicht, die da unten Herumtreiben. Aber schließlich-wozu hat sie denn die Schule
der Philosophie und des Lebens durchlaufen? Wewn die da drinnen Thoren waren und ihre Thorheit mit dem Leben büßten, muß sie es ihnen nachthun? Nein, sie ist die weise Fliege, die sich nicht von der geheimntßvollen Kuppel da blenden läßt; sie wird sich sättigen an dem driftenden Mahl und doch mit heiler Haut zurückkehren. Schon schreitet sie zuversichtlich zur Ausführung ihres Planes: Mit einem Ruck steht sie still in ihrer Laufbahn, schaukelt noch sinnend einige Sekunden nachdenklich hin und her, und jetzt sitzt sie schon am Rande des Tellers. Sie nippt nur, aber sie nippt wieder und wieder. Für den entzückenden Anblick und Duft des ganzen Ensembles ist