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gehüllt, an dem Pfeiler neben seinem Synagogenplatz und stierte unverwandten Blickes auf den Boden, als schäme-er sich, das Auge auch nur zur Höhe seines geöffneten Gebetbuches zu heben.
Als die Gemeinde in freudigem Schauer rief: נבואה שעריך
„Wir treten nun ein in Deine Pforte!" schüttelte er wehmüthig das schwere Haupt und hauchte mit einem tiefen Seufzer die trostlose Gewißheit hinaus, daß ihm die Pforte, die zur Gnade Gottes führt, ewig verschlossen bleiben müsse. Er hatte ein so bewegtes Leben voll Leichtsinn und Sünde, voll Ungehorsam und Trotz hinter sich, daß er auf Gottes Verzeihung nicht hoffen konnte. Seine ganze Vergangenheit zog an feinem geistigen Auge vorüber. Zurück bis in die Tage des ersten erwachenden Bewußtseins geleiteten ihn die schmerzvollen Erinnerungen. Da stand seine Heimgegangene Mutter vor ihm, wie sie ihm die treue Hand auf das Haupt legte und ihn, als er noch kaum sprechen konnte, die Worte nachlallen lehrte: שמע בני מוסר אביך ואל תטוס תורת אמך „Höre, mein Kind, aus die Er
ziehung deines Vaters und verwirf nicht die Belehrung deiner Mutter!"
Und er hatte auf die Erziehung des Vaters nicht gehört und hatte die Belehrung der Mutter leichsinnig von sich gewiesen. So lange er noch als Kind unter der unmittelbaren Leitung der Eltern und im Kreise der Geschwister lebte, war er die Freude seiner Eltern und der Stolz seiner jüngeren Geschwister getvesen. Aber als er wenige Jahre nach seiner Bar Mizwo in's Geschäft trat, waren die Versuchungen der Großstadt an ihn herangetreten. Sein Vater hatte ihn in ein Geschäft gegeben, das an Sabbat und Jomtof geöffnet war, das aber ihn contraktlich an diesem Tage vom Besuch des Geschäftes