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Band 1 Heft 1
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E. RUTSCHKE: Veränderungen in der Brutvogelwelt Brandenburgs

sich diese Faktorenkombination auf die Jungenaufzucht auswirkt(fehlende Nahrungsvielfalt, Nässe und Kälte, häufigere und intensivere mechanische Be­wirtschaftung). Das gilt ähnlich auch für andere Wiesenbrüter. Die sinkende Reprodukti­onsrate führt zum"Aus" für die Population, Adultmortalität spielt demgegenüber eine nachgeordnete Rolle. In der Grünlandbewirtschaftung vollzog sich eine vergleichbare Entwicklung. Die Umgestaltung war jedoch noch nachhaltiger, weil die Beseitigung der strukturellen Vielfalt mit Hydromelioration, Anbau von Monokulturen, vervielfachtem Dünge- und Pflanzenschutzmittelverbrauch und erhöhter PS-Leistung/ha verbunden wurde. Als Folge gingen Knäkente, Korn- und Wiesenweihe, Wachtelkönig, Großtrappe, Bekas­sine, Uferschnepfe, Rotschenkel, Kampfläufer, Wiedehopf, Schafstelze, Seggen- und Schilfrohrsänger, Rohrammer, Wiesenpieper, Braunkehlchen und Blaukehlchen drastisch zurück. Das Birkhuhn verschwand aus den brandenburgischen Luchgebieten. Die Spießente, als Brutvogel wohl immer selten bei uns, brütet nur noch unregelmäßig und vereinzelt. Der Große Brachvogel, obwohl gleichfalls abnehmend, scheint weniger betrof­fen zu sein als die anderen genannten Arten. In diese Gruppe gehört auch die Sumpfohr­eule. Da sie auch in früherer Zeit wechselnd häufig auftrat, fällt es schwer, über den noch vorhandenen Bestand zu urteilen. Der Steinkauz ist Opfer der Flurausräumung und der Eutrophierung der Landschaft geworden. Ihm wurden die Nistmöglichkeiten in Kopfwei­den, alten Obstbäumen, Feldscheunen u. ä. genommen. Er gehört bei uns zu den akut ge ­fährdeten Arten.

Mit 22 stark zurückgehenden oder bereits verschwundenen Arten haben die an feuchtes Grünland gebundenen Vogelarten eine Spitzenstellung inne. Die von kurzsichtigen öko­nomischen Zielen bestimmte Nutzungsform des Grünlandes kam keiner einzigen Vogelart zugute.

Die Eingriffe in den Zustand unserer Gewässer vollzogen sich differenzierter als im agrarischen Raum. Dazu gehörig sind beschleunigte Eutrophierung, Ausbau von Teichen, Begradigung von Fließgewässern und Beseitigung von Kleingewässern(Sölle). Die ein­zelnen Formen der Hydromelioration sind jedoch in sich komplex, und dementsprechend verschieden reagieren die Wasservogelarten. Der Rückgang der schon immer seltenen Rallenarten ist in Habitatverschlechterung(Schilfschwund, Verschmutzung im Flachwas­serbereich) begründet. Der Rohrdommel wurde vielerorts Lebensraum durch Verkleinerung der Schilfgürtel genommen. Der katastrophale Rückgang der Zwergdommel läßt sich je­doch nicht durch Habitatverlust und durch andere Gründe erklären.

Beim Gänsesäger verläuft die Bestandsentwicklung widersprüchlich. Er verschwand von vielen Seen im nördlichen Brandenburg , siedelte jedoch verstärkt an der Oder. Die Be­standszunahme an der Oder ist nach A. SCHMIDT in erster Linie auf Schaffung von Brut ­plätzen durch G. MATTIG und G. SCHULZE(Eisenhüttenstadt ) zurückzuführen. Über das Verschwinden der Moorente von den wenigen brandenburgischen Brutplätzen lassen sich nur Vermutungen anstellen. In der Diskussion über die Gründe für den Rückgang von Teich- und Drosselrohrsänger sind spekulative Argumente und gesicherte Fakten vermischt, so daß sich kein klares Bild gewinnen läßt. Beide verschwanden selbst von Gewässern, de­ren Schilfgürtel sich augenscheinlich nicht verändert hat. Beim Teichrohrsänger gibt es auch gegenläufige Tendenzen. An den Karower Teichen nimmt er seit 20 Jahren zu, und auch A. SCHMIDT betont die Zunahme.

Für den Rückgang des Neuntöters und des Raubwürgers ist Habitatverlust die Hauptur­sache. Das trifft auch für die Dorngrasmücke, die ähnliche Biotope besiedelt, zu. A. SCHMIDT sieht einen wichtigen Faktor für den Rückgang der Würger in unzureichenden Er­nährungsmöglichkeiten(Insekten!). Im Vergleich zu den bisher erwähnten Landschaftsfor ­men sind die brandenburgischen Wälder und ihre Ökosysteme in ihrem Grundaufbau und in der Nutzung in den letzten Jahrzehnten nur wenig verändert worden. Trotz Schädigung