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Band 4 Heft 1/2
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OTIS 4(1996) 1/2: 78-143 93

spielen, werden toxikologische Untersuchungen des gesammelten Organmaterials zeigen. Vergleichbare Krankheitsbilder wurden früher kaum beschrieben. Das völlige Fehlen von Krankheitsopfern bei OEHME& MANOWSKI(1991) zeigt allerdings eher die früher überwiegend biologisch orientierte Untersuchung der Tierkörper an. Heute wird jeder Vogel auch veterinärpathologisch analysiert.

3.3.4. Schadstoffbelastung

Eine Einflußgröße, deren gegenwärtiges Ausmaß als unerforscht gelten muß, ist die Belastung brandenburgischer Seeadler mit Schadstoffen. Frühere Untersuchungen von OEHME(1987a) zeigten Zusammenhänge zwischen dem Einsatz von DDT und abnehmender Reproduktion bis hin zu äußerst niedrigen Reproduktionswerten. Daneben wurde eine hohe Quecksilberbelastung durch den Einsatz von Saatgutbeizen für Direktverluste verantwortlich gemacht(OEHME 1981). Dies entspricht etwa der damaligen Situation in anderen Ländern(u. a. HELANDER et al. 1982, FALANDYSZ et al. 1988).

Nachfolgende Untersuchungen in Deutschland gibt es nur noch sporadisch; deren Ergebnisse führen bestenfalls zu fragmentarischen Indizien. Nach diesen kann die gegenwärtige Situation keinesfalls als entspannt bezeichnet werden. Untersuchungen von HAHN, E.& K.(1991) belegten eine Quecksilberbelastung in Federn brandenburgischer Fisch- und Seeadler, die etwa eine Zehnerpotenz über dem Gehalt des übrigen untersuchten Federmaterials(verschiedene Vogelarten überwiegend aus Deutschland ) lag. Auch in einzelnen Seeadler-Organproben, die der Untersuchung im Institut für Lebensmittel, Arzneimittel und Tierseuchen(ILAT) Berlin zugeführt wurden(Naturschutzstation Woblitz), fanden sich teils hohe Quecksilberwerte. Daneben fielen bei einzelnen Vögeln hohe Blei- und Cadmiumwerte sowie auffallende DDE­Spiegel auf. Noch immer gibt es auch Hinweise auf eine verminderte Eischalendicke(H. FREYMANN mdl.). Ob ein ursächlicher Zusammenhang zum DDT besteht oder ob andere Schadstoffe eine Rolle spielen, bleibt unklar. Erhöhte Bleiwerte bis hin zu Todesfällen können durch Aufnahme von angeschossenem Wild bzw. dem Geschoßreste enthaltenden Aufbruch durch den Seeadler entstehen. Hierzu gibt es sowohl Untersuchungen an Käfig- bzw. Beizvögeln (KÖSTERS et al. 1979, MEISTER 1981, PATTEE et al. 1981) als auch

Analysen unter Freilandbedingungen(JACOBSON et al. 1977, REDIG et al. 1980). Dies ist vor allem vor dem Hintergrund der Tatsache zu sehen, daß bleikontaminierter Wildaufbruch flächendeckend als Nahrungsquelle zur Verfügung steht! BEZZEL& FÜNFSTÜCK(1995) beschreiben dieselbe Gefährdungssituation beim Steinadler. Beim Seeadler ist zudem die Bleivergiftung über den Verzehr von Wasservögeln mit beim Gründeln aufgenommenen Bleischroten im Magen nicht auszuschließen.

Noch schwieriger einzuschätzen sind akute Schadstoffwirkungen. Aktuelle Untersuchungen in den Niederlanden zeigten bei tot gefundenen Mäusebussarden Vergiftungen als Haupttodesursache! Bei 60% der Vögel waren Vergiftungen durch Parathion, Aldicarb und andere Substanzen nachweisbar(JAGER et al. 1996). Hier können nur kostenaufwendige Spezialuntersuchungen brauchbare Ergebnisse liefern, die möglicherweise künftig einen Teil der Seeadlerverluste, die bis dato noch ungeklärt bleiben, erklären. Bei einem dieser Adler wurde das Verfahren exemplarisch vollzogen und auf Anhieb eine Carbofuranvergiftung bestätigt(O. KRONE, Institut für Zoo- und Wildtierforschung(IZW) Berlin ; F. TATARUCH, Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie Wien ).