Heft 
Band 9
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Bestandserfassung der Haubenlerche 97

ländlichen Raum. Temporäre Ersatzlebensräume(z. B. Baustellen) boten sich fast nur in städtischen Bereichen, verschärften durch die kurzfristige Nutzbarkeit zusätzlich die Situation und ein Austausch zwi­schen den isolierten Vorkommen wurde zunehmend erschwert(ZANG& SUDBECK 2000). Im Gegensatz dazu führte die Entwicklung der landwirtschaftlichen Produktionsmethoden im ländlichen Raum des ostdeutschen Tieflandes zum Aufbau industrieller Großbetriebe zur Tierhaltung und-mast. Eine vielfäl­tige Kombination von Lagerplätzen für Futtermittel und Stalldung, Freilaufkoppeln, Abstellflächen für die Technik und großen Flachdächern bot dort durch abwechlungsreiche Bereiche mit fehlender und lückiger Vegetation neue, langfristig besiedelbare Habitate. Wie bereits HERFURTH(2000) für ein UG in Mecklenburg dokumentieren konnte, belegen die Ergebnisse dieser Untersuchung, dass sich die Mehrzahl der Reviere in derartigen Habitaten befindet. Würden diese Vorkommen entfallen, wäre die Bestandssituation der Haubenlerche hier mit Sicherheit ebenso katastrophal wie in den westlich benach­barten Gebieten, denn andere Habitate besitzen für die Bestandserhaltung der Art eine geringere Rolle (Abb. 2). Die starke Bautätigkeit an den Stadträndern, z. B. für Gewerbegebiete oder Kaufhöfe lässt dort zwar kurzfristig neue Lebensräume entstehen, eine dauerhafte Zunahme der Haubenlerche konnte durch diese Entwicklung jedoch nicht belegt werden. Hauptursachen dafür sind die kurze Zeit der Verfügbarkeit der Flächen während der Bauphase und deren schnelle Begrünung durch Bepflanzung mit Bäumen und Sträuchern nach Abschluss der Bebauung(z. B. BAUER& BERTHOLD 1996, ZANG& SUDBECK 2000).

Das nur punktuelle Vorkommen und die oftmals sehr kleinflächige Ausdehnung geeigneter Habitatstruk­turen in den Großtierstallungen ist jedoch gleichzeitig für die Zukunft als Gefährdungsursache an erster Stelle zu nennen. Stillgelegte Stallanlagen erwiesen sich im UG bereits zwei Jahre nach der Schließung ausnahmslos als unbesiedelt, vor allem weil der zunächst noch geringe Deckungsgrad der Bodenvegeta­tion auf den Freiflächen alsbald von höherwüchsigen Ruderalgesellschaften abgelöst wird und daher nicht mehr die primären Habitatansprüche der Haubenlerche erfüllt(z. B. SCHIFTER 1985). Im Hinblick auf die geplante Reduzierung der Massentierhaltung und auch wegen der teilweise ungünstigen wirtschaftli­chen Situation einzelner Agrarbetriebe sind die Zukunftsaussichten der Haubenlerche somit als eher schlecht einzustufen, denn begrenzender Faktor der Bestandsdynamik ist eindeutig das Lebensraum­angebot. Insofern wurde uns während der Untersuchung klar, dass die Perspektiven der Haubenlerche nicht nur im UG, sondern auch in vielen noch relativ gut besiedelten Gebieten Ostdeutschlands, in hohem Maße von den stetigen Strukturveränderungen im menschlichen Siedlungsraum und den Formen der landwirtschaftlichen Flächennutzung abhängen werden. Weder ökologischer Landbau noch artgerechte Tierhaltung bieten der Haubenlerche entsprechende Lebensräume. Großbaustellen am Stadtrand sind stark rückläufig, aufgelockerte Wohnblockzonen und Gewerbegebiete verlieren durch die fortschreitende Selbstbegrünung und verstärkt noch durch»gestaltende Grünordnungspläne« ihre Lebensraum­eigenschaften für die Art. Neue Wohnblockgebiete wird es durch die Hinwendung zu dicht bebauten Einzelhaussiedlungen auf längere Sicht nicht mehr geben.

Obwohl der Haubenlerche von den meisten Ländern Mitteleuropas in den Roten Listen vielfach ein Gefährdungsgrad zuerkannt wird(zusammenfassend in BAUER& BERTHOLD 1996), sind die naturschutz­politischen Investitionen in die»grauen Mäuse« unter den bestandsgefährdeten Vogelarten, im Gegensatz zu Störchen, Adlern und Kranich eher gering. Auf höherer Ebene wird sogar ein Verzicht auf bestandsför­dernde Maßnahmen, erst recht bei Arten am Arealrand propagiert(z. B. FLADE 1998).

Schließlich wird erst die Zukunft zeigen, ob die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit lediglich den Prozess des Niedergangs der Haubenlerche schlaglichtartig festhalten oder ob es dem Charaktervogel der Groß­Viehstallungen gelingt, andere Nischen zu besiedeln.