Heft 
Band 14
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Otis 14(2006)

BARTHEL, P. H. & A. J. HELBIG(2005): Artenliste der Vögel Deutschlands . Limicola 19: 89-111. Bezug (Limicola-Einzelheft mit Separatdruck): Limicola­Verlag, Über dem Salzgraben 11, 37574 Einbeck­Drüber, info@limicola.de.(3).

Die neue deutsche Artenliste ist als Publikation in Limicola erschienen, zugleich aber auch separat in Kurzform als kleines praktisches Heftchen. Im glei­chen Limicola-Heft finden sich zwei Artikel mit aus­führlichen erläuternden Kommentaren von A. HELBIG (Systematik und Taxonomie) sowie P. BARTHEL(Kategorien, Veränderungen u.a.).

Der Aufbau der Liste ähnelt dem Vorgänger von 1993(BARTHEL, Journal für Ornithologie): Die Arten sind in systematischer Reihenfolge aufgeführt, zusätzliche Informationen betreffen die Kategorie (A-E nach international üblichen Kriterien), den Brutstatus(mit Häufigkeitsklassen), den Status außerhalb der Brutzeit und Hinweise auf die Doku­mentationspflicht für die Seltenheitenkommission.

Eine solche nationale Artenliste ist aber nicht wegen dieser Informationen von Bedeutung, son­dern wegen ihrer praktischen Anwendbarkeit. Avifaunen, Artenlisten in Publikationen und selbst Bestimmungsbücher folgen ihr üblicherweise in Artenreihenfolge und Benennung. Die Möglichkeit molekulargenetischer Untersuchungen hat zu vielen neuen Erkenntnissen in der Systematik geführt, und konsequenter Weise macht die altgewohnte, auf Voous zurückgehende Artenreihenfolge einer modernen Liste Platz, die nunmehr mit den Entenvögeln beginnt. Außerdem wurden einige Artensplits eingeführt, so werden jetzt beispielswei­se Nebel- und Rabenkrähe und die bisherigen Schafstelzen-Unterarten als eigene Arten gewertet. Alle diese Änderungen werden in dem Artikel von A. HeLsic, zusätzlich auch im neuen Kompendium der Vögel Mitteleuropas , das sich bereits nach der neuen Liste richtet, ausführlich begründet und sind deshalb gut nachvollziehbar.

Die Liste mit ihren Begründungen beruht auf neu­esten wissenschaftlichen Erkenntnissen und bietet damit eine Fülle von Informationen, die für den Amateurornithologen sonst kaum zugänglich sind. Angesichts der Tatsache, dass zahlreiche der zitier­ten Originalquellen für systematische Fragen erst

aus den allerletzten Jahren stammen, mag man sich um die Stabilität der Liste Sorgen machen- schließ­lich sollte sie ja eine Arbeitsgrundlage für lange Zeit sein, denn aus praktischen Gründen kann sie nur in größeren Abständen dem Stand der Wissenschaft angepasst werden. Vielleicht hätte man wenige Jahre später eine dauerhaftere Liste erstellen können.

Aus der Kommission Artenliste der Vögel Deutschlands der Deutschen Ornithologen-Gesell­ schaft steht auf dem Titelblatt der Veröffentlichung. Diese Kommission bestand freilich nur aus den bei­den Autoren, was für die meisten Fragestellungen kein Manko ist, denn wissenschaftliche Inhalte unterliegen nicht der demokratischen Abstimmung. Anders sieht es allerdings mit den deutschen Vogelnamen aus, denn die beruhen auf Konvention, und da wäre eine Meinungsbildung auf breiterer Basis für so eineoffizielle Artenliste doch notwen­dig gewesen. Einerseits sind die Autoren bei der Namensgebung sehr konservativ und behalten immer noch dieHühner stattRallen bei, obwohl sich letztere doch inzwischen weitgehend eingebür­gert haben. Andererseits schaffen sie in einigen Fällen, in denen ihnen vorhandene Vogelnamen zu lang oder zu kompliziert erschienen, völlig neue Kunstnamen. So wird die Nordamerikanische Pfeifente zur Kanadapfeifente, der Gelbschnabel­Sturmtaucher zum Sepiasturmtaucher, die Schaf­stelze zur Wiesenschafstelze und die Nordische Schafstelze zur Thunbergschafstelze. Die Begrün­dung für die letztgenannte Änderung lautet wört­lich, der Vogel solle nicht Gefahr laufen, jemals wie­der alsNorrrdische Rrrasse verunglimpft zu wer­den. Mit solchem Unsinn und der Willkür der Namensgebung haben die Autoren sich und der Artenliste keinen Gefallen getan. Der Vorstand der ABBO hat beschlossen, die neue Artenliste zur Grundlage für ihre Veröffentlichungen zu machen (in Otis ab 2005), allerdings ohne die neuen deut­schen Namensvorschläge zu übernehmen.

Die neue Artenliste wird zum unentbehrlichen Handwerkszeug der Avifaunisten werden und ist ein wichtiger Schritt voran im Erkenntnisgewinn, auch wenn es nun erst einmal eine Weile dauern wird, bis man in einer Avifauna eine Art an der richtigen Stelle findet.

Wolfgang Mädlow