Heft 
Band 15 Sonderheft
Seite
119
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Möckel& Wiesner: Wirkung von Windkraftanlagen auf Brut- und Rastvögel

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(z.B. WALTER& BRUX 1999, KoRN& SCHERNER 2000, BERGEN 2001a, KAATZ 2001, STÜBING& BOHLE 2001, REICHENBACH 2003, 2004, SINNING 20042, b& c, HAND­KE et al. 2004a& b). Die in den WP lebenden Vögel lernen offenbar schnell, dass von den neuartigen Strukturen in ihrem Lebensraum in der Regel keine Gefahr ausgeht. Sie weichen diesen Flughin­dernissen aus und nisten selbst im Nahbereich von WKA. Besonders bodennah lebende Vögel scheinen sich überhaupt nicht stören zu lassen.

Infolge dieser Anpassung sind sie aber bei ihren Flügen um den Nistplatz und zu den Nahrungs­gründen durch die sich drehenden Rotoren einer erhöhten Gefährdung ausgesetzt. Dies gilt nachweis­lich vor allem für Seeadler, Rotmilan und Weiß­storch, wahrscheinlich aber auch für Baumfalke, Schwarzstorch und zahlreiche Wasservogelarten(s. DÜRR 2004). Dieses Vogelschlagrisiko zu reduzieren, ist nur möglich, wenn man im Nahbereich bekann­ter Vorkommen dieser höher gefährdeten Arten auf die Errichtung von WKA verzichtet. Im Land Brandenburg gelten daher artbezogene Abstands­kriterien zu den Brutplätzen(MLUR BRANDENBURG 2003). Auch die Staatlichen Vogelschutzwarten der Bundesländer geben artspezifische Abstandsem­pfehlungen(LAG VSW, unveröff.)

Hinsichtlich des Durchzugs verschiedener Groß­vögel zeigte sich, dass nordische Gänse und Krani­che die WKA in größerer Höhe überfliegen können, sich aber in deren Nähe nicht niederlassen. Da in deren direktem Umfeld keine Nahrung aufgenom­men wird, kommt es zum Verlust verfügbarer Nah­rungsressourcen. In anderen deutschen WP nah­men Blessgänse bis zu einer Entfernung von 400 m von den WKA keine Nahrung auf(SCHREIBER 1999). Selbst noch im Abstandsbereich von 400 bis 600 m war eine Nutzungsminderung um etwa 50% bei Bless-, Saat-, Grau- und Nonnengans, aber auch beim Singschwan erkennbar(KRUCKENBERG& JAENE 1999, SCHREIBER in BFN 2000, KoWALLIK& BORBACH­JAENE 2001, KRUCKENBERG& BORBACH-JAENE 2001). Diese Aussagen decken sich mit den in der Nieder­ lausitz erzielten Ergebnissen(s. Kap. 5.2). Lediglich Einzelvögel oder kleine Trupps dieser aus Nordost­ europa zu uns kommenden Gäste wurden aus­nahmsweise schon ab 200 m entfernt von den sich drehenden Rotoren nahrungssuchend beobachtet. Eine längerfristige Gewöhnung ist kaum anzuneh­men, wobei allerdings in winterlichen Notsituatio­nen auch partiell die Scheu vor den WKA überwun­den werden kann(KRUCKENBERG 2002). Ähnlich reserviert gegenüber WKA zeigten sich ziehende

Kiebitze und Goldregenpfeifer(SCHREIBER in BEN 2000, BERGEN 2001a& b, REICHENBACH 2003, HANDKE et al. 2004a& b), während bei den Gastvogelarten Raufußbussard, Merlin, Kornweihe und Großer Brachvogel lokal unterschiedliche Feststellungen vorliegen(s. Kap. 5.2).

Unter Berücksichtigung der seit einigen Jahren anwachsenden Rastbestände bei Gänsen und Kra­nichen(auch bedingt durch ein sich ständig verbes­serndes Angebot an Schlafgewässern in den Berg­baufolgelandschaften durch den Grundwasserwie­deranstieg) dürfte es in der Niederlausitz bei weite­rer Bebauung von Feldfluren mit WKA zu einem problematischen Engpass an geeigneten Nahrungs­flächen kommen. Noch mehr als heute werden sich dann die längere Zeit in der Region rastenden Vögel auf die immer weniger werdenden Feldschläge ab­seits der WP konzentrieren. Als Folgewirkung sind zunehmend Schäden an landwirtschaftlichen Kul­turen zu erwarten. Weitere WP in derartigen Ein­zugsgebieten führen insofern voraussehbar zu Konflikten mit der Landwirtschaft.

Die Abstandskriterien des Landes Brandenburg (MLUR BRANDENBURG 2003) erfassen auch ausge­wählte Durchzügler/Überwinterer, wie Kranich , Gänse, Goldregenpfeifer und Kiebitz. Darüber hin­aus wird ein Mindestabstand von 1.000 m zu Ge­wässern gefordert, auf denen es regelmäßig zur Konzentration von über 1.000 Wasservögeln außer Gänsen kommt sowie von Gewässern 1. Ordnung mit Zugleitlinienfunktion. Beide Kriterien trafen im untersuchten Raum zunächst nicht zu. Erstgenann­tes Kriterium wird längerfristig in den Bergbau­folgelandschaften aber an Bedeutung gewinnen.

Bei großräumigem Ortswechsel überfliegen Gänse und Kraniche auch WP. Dies findet durchweg in Höhen von mehr als 200 m über dem Erdboden statt, offenbar also hauptsächlich über dem Drehbe­reich der gegenwärtig maßgebenden Höhen von WKA. So wird an einem Sammel- und Rastplatz des Kranichs bei Nauen (HVL ) eine Gruppe von 15 bis zu 120 m hohe Sendemasten(in den 1970er Jahren errichtet) toleriert, der sich nur etwa 1 km vom Schlafgewässer entfernt befindet. Dort kam es aller­dings in unregelmäßigen Abständen zu Anflug­opfern an den Abspannseilen der Masten, bislang aber in einer relativ geringen Anzahl(SCHREIBER& RAucH 1999, T. Dürr, pers. Mitt.).

Da Flüge von Kranichen und Gänsen über größe­re Entfernungen bevorzugt nachts erfolgen, ist sogar anzunehmen, dass die Vögel dann noch höher und damit weit über dem Rotationsraum jetziger Bau­