Heft 
Band 19 Sonderheft
Seite
437
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Ryslavy et al.: Die Brutvögel in Brandenburg und Berlin - Ergebnisse der ADEBAR-Kartierung 437

Einsatz von Pestiziden auf großen Flächen(GEIGER et al. 2010).

Wälder und Forste: Wälder und Forste wurden lange Zeit für in sich stabile Lebensräume gehalten. Unterschiedliche Nutzungsformen bedingten aber auch hier wechselnde Lebensmöglichkeiten für die waldbewohnenden Vogelarten. Die Bestandstrends von 51 überwiegend in Wäldern und Forsten leben­den Vogelarten erlauben für die letzten 15 Jahre Ver­gleiche zum möglichen Einfluss der durch die Wald­bewirtschaftung gesteuerten Prozesse wie Bestands­verjüngung, Wachstum und Bestandsstruktur.

Für 34 Vogelarten konnte ein stabiler bzw. positiver Bestandstrend festgestellt werden. Bei einigen Brut­vogelarten mit positiver Bestandsentwicklung sind dabei durchaus Zusammenhänge mit der forstlichen Nutzung ersichtlich. So profitierten Höhlenbrüter, wie Hohltaube, Waldkauz und Schwarzspecht, von einer Schonung der Höhlenzentren bei Einschlags­arbeiten. Der Zaunkönig findet durch das heute in der Fläche verbleibende Schlagreisig, das bei der Nutzung einer viel größeren Waldfläche im Zuge des weitestgehenden Verzichts auf Kahlschläge anfällt, umfassendere Lebensmöglichkeiten. Die Mönchs­grasmücke wird durch die Zunahme der Strauch­schicht durch viele neue Vor- und Unterbauten be­günstigt. Für den Mittelspecht wirken sich der deut­lich geringere Nutzungsdruck auf die Eichen- und Laubmischwälder sowie der schlechte vitale Zustand vieler Eichenbestände vorteilhaft aus. Die positiven Tendenzen bei den Eulenarten wie Waldohreule, Waldkauz, Raufußkauz und Sperlingskauz könnten mit der Zunahme der Mäusedichten im Wald im Zu­sammenhang stehen. Der Sperberbestand hat sich durch die nachlassende Kontamination mit Insekti­ziden, vor allem DDT , deutlich erholt.

Bei einigen Arten sind die Zunahmen aber eher nicht durch die Waldbewirtschaftung begründet. So sind die Gründe der positiven Bestandsentwick­lung bei Misteldrossel, Sumpfmeise und Sommer­goldhähnchen eher komplex zu sehen, wobei eine lange Serie milder Winter sicher einen ebenfalls nicht unbedeutenden Einfluss hat.

Andererseits zeigen 17 der untersuchten 51 über­wiegend waldbewohnenden Vogelarten einen stark bis sehr stark abnehmenden Bestandstrend. Für die meisten Arten sind jedoch Zusammenhänge mit der Waldnutzung nicht in jedem Fall ersichtlich.

Kürzere Durchforstungsintervalle, zudem auf grö­ßerer Fläche, mit denen jeweils die vollständige Ent­nahme aller toten und absterbenden Bäume verbun­den ist, dürften ursächlich für die starke Abnahme

von Weidenmeise, Wald- und Gartenbaumläufer sein. Wintergoldhähnchen, Heckenbraunelle und Gimpel wurden vorübergehend von den zahlreichen Fichten- und Douglasienpflanzungen begünstigt, die in den 1960er und 1970er Jahren in die Kiefern­und Laubholzforste eingebracht wurden. Zuneh­mend entsprechen die Baumbestände altersbedingt immer weniger den Ansprüchen dieser Arten und Neubegründungen mit Koniferen in gleichem Um­fang finden nicht mehr statt. Die Konsequenz die­ser Entwicklung ist der Rückgang dieser typischen Fichtenwaldbewohner. Die Abnahme beim Fitis wird durch die Hinwendung zur kahlschlaglosen Waldbewirtschaftung mit verursacht. Im von Kie­fernforsten geprägten Brandenburg war der Fitis die dominante Vogelart der Kahlschlagaufforstun­gen, nachdem diese das Jungwuchsalter erreichten. Mit dem Aufwachsen der Bäume werden die Flä­chen ab dem beginnenden Stangenholzalter wieder vollständig verlassen. Durch den weitestgehenden Verzicht auf Kahlschläge fehlen inzwischen die Jungwüchse als bedeutender Lebensraum, wodurch der Bestand des Fitis abnimmt. Eine zunehmen­de Vergrasung der Baumbestände nach stärkeren Auflichtungen im Zuge des Einsatzes von Großtech­nik zur Holzernte und die Zunahme der von einer Strauchschicht durchsetzten Baumbestände durch Vor- und Unterbauten sowie die rasante Ausbrei­tung der Traubenkirsche haben den Bestandstrend bei Arten wie Turteltaube, Wendehals und Baum­pieper besonders stark negativ beeinflusst. Spärlich bewachsene Waldböden gehören inzwischen zu ei­ner seltenen Erscheinung.

Für den Trauerschnäpper ist der Einfluss forst­licher Nutzungen auf seine negative Bestandsent­wicklung nicht ersichtlich, zumal das Nisthöhlen­angebot durch das Anbringen vieler Nistkästen deutlich erhöht wurde. Artspezifische Schwan­kungen am Arealrand dürften bei Grauspecht und Zwergschnäpper für die Abnahmetendenz eine größere Rolle spielen als waldwirtschaftliche Ein­griffe. Der Abnahmetrend beim Habicht ist weni­ger durch forstliche Bewirtschaftung bedingt und wird in Brandenburg offenbar hauptsächlich durch illegale Nachstellungen verursacht. Das belegt sein enormer Bestandsanstieg in Berlin wo menschliche Nachstellungen völlig unbedeutend sind.

Insgesamt überwiegen in den Wäldern und Fors­ten deutlich die stabilen und positiven Effekte der Waldbewirtschaftung. Durch forstliche Nutzungen wurde zumindest in den letzten 15 Jahren keine Vogelart in Brandenburg und Berlin an den Rand ihrer Existenz gedrängt.