K. Miclkd,
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ernste Zeit gezeigt, wie stark und lebensvoll die Kräfte sind, die sich innerhalb der deutschen Stämme und zumeist in stiller Abgeschlossenheit gebildet haben. Der Krieg hat uns die Stärke unseres nationalen Wollens klar ge- * macht, aber er hat auch an das Licht gehoben, was unbewußt in uns geschlummert hat. Nur wenige Monate liegt es zurück, seit das heilige und tiefe Heimatgefühl aller deutschen Stämme fast elementar seinen Ausdruck gefunden hat in dem Liede von der Heimat. Mag man in künstlerischer Hinsicht manches Bedenken gegen die Form dieses Liedes haben — in dem unvermittelten Nebeneinander der Empfindungen ist es wie ein echtes Volkslied ein bedeutungsvolles und gemütreiches Zeugnis für den Geist des deutschen Volkes. Das starke „Mit Herz und Hand fürs Vaterland“ mit dem plötzlichen wehmütigen Umschlag „Die Vöglein im Walde, sie singen so wunderschön“ und dem hoffnungsfreudigen Bekenntnis „In der Heimat, da gibt’s ein Wiedersehn“, in diesen drei Stimmungen der Kraft, des Gefühles und der Hoffnung sind die Grundlagen unserer Volksanlage erhalten, die wir in guten und bösen Tagen durch unsre Volkslieder wehen sehen. Und wenn wir von der Gegenwart aus die Tiefe der Vergangenheit wissenschaftlich abloten, dann stoßen wir auf Höhen und Tiefen des heimischen Volkstums und auf Tatsachen, die das gleiche Stimmungsbild auch für die älteste Zeit vermuten lassen.
Der Geograph Ratzel hat das Wort geprägt von der Tiefe der Menschheit. Er hat damit sagen wollen, daß unter der dünnen Schicht unseres ge-, schichtlichen Wissens ein ungeheurer Zeitraum der menschlichen Entwicklung liege, der in die Hunderttausende von Jahren geht, und der in seinem Zusammenhänge niemals dargelegt werden kann. Er selbst aber und andere haben nachgewiesen, daß, wie das Erdreich mit Fossilien der ältesten Zeit bis nahe an die Oberfläche durchsetzt ist, auch jedes Volk und jeder einzelne noch Bruchstücke der fernsten Vorzeit mit sich trägt. Wir alle schleppen — ich darf sagen gottseidank — diese Erinnerungen mit uns herum, mit unseren sittlichen, sinnlichen und göttlichen Vorstellungen, die sich erweitert haben, aber innerhalb bestimmter Anschauungen geblieben sind. Darin liegt schließlich das Unterscheidende der Völker und das besondere Merkmal des deutschen Volkes, das diese Zeugnisse seiner Herkunft, seiner Heimat und seiner Geschichte — - auch der ungeschriebenen — nicht verloren hat. Das Erinnerungsvermögen reicht in dieser Beziehung weiter zurück als die träge einsetzende schriftliche Aufzeichnung. Es sei auf die oft bestätigte Ueber- lieferung von vergrabenen Schätzen hingewiesen, die uns in der Sage von bestimmte; Ereignissen durch die Geschlechter hindurch bewahrt sind, Das Königsgrab von Seddin, dessen dreifacher Sarg durch die Aufgrabung vor 18 Jahren bestätigt wurde, ist ein eindrucksvolles Zeugnis für die Erhaltung geschichtlicher Vorgänge im Gedächtnis des Volkes durch zweieinhalb Jahrtausende. Das ist freilich nur eine kurze Zeit im Verhältnis zur Geschichte
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f-S Berlin