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Von der Heimat zu nt Vaterland.
der Menschheit und dennoch überspannt sie einen Zeitraum, von dessen Beginn keine andre Kunde uns berichtet. Mehr aber noch als die dürftige Nachricht von einem vereinzelten Ereignis strömt in der poetischen Sage die Kunde weiter, die vor Jahrtausenden in aller Herzen war. Wenn wir in dem Aufruhr der Wintemächte die wilde Jagd durch die Lüfte ziehen sehen, dann ist dem Gläubigen die gleiche Abhängigkeit von einem höheren, außerhalb des Menschlichen hegenden Gedanken bewußt, wie sie vielleicht in klareren Vorstellungen dem Waldbewohner vor 5000 Jahren geläufig war. Aber hegt uns jene Zeit, die nichts Geschriebenes kannte, wirklich so fern, daß der tastende Verstand nur mühselig einzelne Vorstellungen zu erkennen wähnt ?
Unser Leben rechnet nach den Geschlechtern mit 30 Jahren. Eduard Hahn hat einmal darauf aufmerksam gemacht, daß der siebenzigste Ahn, der vor 70 X 30 Jahren lebte, ein Zeitgenosse Alexanders des Großen war. Und rechnen wir nur bis auf die Einwanderung der deutschen Kolonisten in Brandenburg zurück, dann sind wir erst die 25. Enkel jener Männer, die das Land östlich der Elbe besiedelt hatten. Unsere Großväter haben noch mit Zeugen reden können, die die Erhebung Brandenburg-Preußens zum Königtum mit Augen sahen. Wir sehen hier, wie stark die Kunde sein kann von Ereignissen, die sich der wissenschaftlichen Darstellung entziehen. Die Jahrhunderte schrumpfen in der Menschheitsgeschichte zu Stunden zusammen, aber unsere Vorstellung wird, wie eine Baumkrone den Saft weit verzweigter Wurzeln trägt, überragt von der Erinnerung an eine ferne Zeit, von der wir nur in diesen, sich stetig schmückenden Blüten der Dichtkunst eine Nachricht haben.
In der griechischen Geschichte spricht man von einer Heroenzeit, einer Vergangenheit, die in den Homerischen Gedichten einen ähnlichen Niederschlag gefunden hat. Wie in ihm nicht das Volk in seiner Gesamtheit der Träger der Ereignisse ist, so haben auch wir ein Heroenzeitalter, in dem einzelne Namen zu Trägern der Kultur, der Ereignisse und der volklichen Art werden. Der Ahnherr des wilden Jägers steht noch jenseits geschichtlich faßbarer Kunde; der König Hingst, von dem das Hünengrab von Seddin berichtet, knüpft schon an eine wissenschaftlich abzugrenzende Kultur an. Namen aber wie Albrecht der Bär und Jazko von Cöpenick, um zwei volkstümliche Vorstellungen heranzuziehen, sind für uns dasselbe wie Hektor und Achilleus den Griechen; sie deuten uns keineswegs nur geschichtliche Vorgänge in starken Persönlichkeiten an, sondern sie sind Vertreter einest entwicklungsgeschichthchen Gedankens. Dieser ist der, mit der Menschheit untrennbar verbundene Kampf höherer und niederer Gesittung, starker und! schwacher Kräfte, fruchtbarer und toter Gedanken, der Zukunft und der Vergangenheit, in letzter Linie des Geistes mit dem Stoffe. Vergeblich ist es, diesen Kampf aus der Seele der Menschheit zu reißen. Immer wieder
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