Von der Heimat zum Vaterland,
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von Brandenburg und seiner Gattin Isolde ein Lied männlichen Tatendranges und treuer Gattenliebe. Weit über Brandenburg hinaus erscholl der Sang, der in Norwegen aufgezeiebnet und uns dadurch als ein heimisches Kulturbild erhalten wurde. Angesichts der Tatsache, daß ein Teil der Eddalieder ihrem Stoffe nach und vielleicht auch mancher Sang mythischen Inhalts aus Deutschland stammt, muß uns dieser Anteil Brandenburgs an der alten germanischen Kultur besonders erheben. Denn unsre Heimat ist nicht arm an solchen Zeugnissen sagenhafter, aber menschlich uns nahestehender Bewegungen, die. wie Bergspitzen der Alpenwelt die Gesteine der ältesten Erd- rindcnbildung in das höchste Sonnenlicht emporgerückt haben, aus grauer Vorzeittiefc in die Gegenwart ragen. Adalbert Kuhn, Wilhelm Schwarz und Wilibald v. Schulenburg haben den Nachweis erbracht, daß unser heimisches Volkstum trotz aller Durchrüttelung und Ueberschichtung noch das alte ist, daß es auf seinem Boden gewachsen ist oder sich ihm angepaßt hat.
Wohl haben äußere Ereignisse einzelnes zerstört und in den Formen umgewandelt; die ursprüngliche Anlage ist geblieben. Die slawische Flut, die nach meiner Ueberzeugung freilich schon stark germanisch durchsetzt war, bevor sie unser Land erreichte, überlagerte ein halbes Jahrtausend das Germanentum; deutsche Einwanderer kamen hernach zu Hunderttausenden aus dem Westen und Nordwesten; seit dem 18. Jahrhundert nisteten sich Bauern und Bürger aus allen deutschen Gauen, selbst aus romanischen Gebieten an. Und seil einem halben Jahrhundert strömen ununterbrochen fremde Volks- tumselcmentc in das Land, und setzten sich besonders in Berlin und seiner Umgebung fest. Schon die zweite Generation — ich zähle selbst zu ihr — ist zu Märkern geworden, hat im Lande eine Heimat gefunden und ist verwachsen mit dem Boden, dem sie ursprünglich fremd war. Darin zeigt sich die Macht der Heimat — hier wie in anderen Gebieten Deutschlands — daß die Fremden in ihr aufgingen und mit ihr lebten, als ob sie seit Geschlechtern emporgewachsen seien.
Welches sind die Mächte, die das Märkertum in Leid und Freud gefestigt, es in der inneren und äußeren Kultur- gehoben und ihm den Arm zur Verteidigung der Heimat gestärkt haben? Die nach den Verheerungen des dreißigjährigen Krieges den einzelnen im Lande hielten, ihn trieben, sein Blut für sein Land und seinen Fürsten zu vergießen, von dem Sturm auf Ofen, den friederizianischen Kriegen bis zu dem rasenden Eisenhagel von Douaumont? Der Gedanke an die Heimat ist es, der Herz und Sinne erfüllt; es ist die Kindheit, die durch die liebe Erinnerung an das Vaterhaus und an die mütterlichen Erzählungen die Sinne auch auf die Jugend der Provinz und ihre Bevölkerung gelenkt hat. Da baut sich um das Kindesleben eine eigne Welt von Taten und Menschen auf, die uns zeitlich fernsteht, aber die uns doch nahe ist, weil sie in der dichtenden Seele des Volkes die Töne'