Issue 
(1917) 26
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R. Mielke,

findet, die wir im Vaterhause gehört haben, und die uns menschlich berühren, als ob sie erst gestern geschehen seien. Da füllt sich das kindliche Gemüt mit Bddern und Vorstellungen, die wir täglich an den Erscheinungen der nächsten Umgebung prüfen können, die in altersgrauem Gemäuer, in den Formen von Tier, Pflanze und in dem Lande um uns ihre Bestätigung finden, weil sic von der dichterischen Wahrheit der Sage getragen werden. Vom Schmied von Jüterbog und seiner launigen Ueberhstung des Teufels wissen auch andre Stämme zu berichten; wir betrachten ihn als den unsrigen, weil die Ueberlieferung ihn an den geheimnisvollen Tanzplatz bei Jüterbog ver­wiesen hat. Uns erzählt der Volksmund von der Aufopferung Frobens in der Schlacht von Fehrbellin. Die Wissenschaft hat ein Fragezeichen da­hinter gesetzt; trotzdem bleibt uns der märkische Held teuer, weil uns Märkern die Froben-Natur nahesteht, weil sie auch zum Wahrzeichen jener Nibelungentreue geworden ist, die sich nicht nur dem Führer opfert, sondern auch für den Gedanken, den dieser verkörpert. Und jene starrsinnigen Quit- zows, die sich gewalttätig dem Aufdämmern einer neuen Zeit entgegenwarfen, jene Bauern aus dem Havellande, die mit Sensen und Keulen dem kriegs­gewohnten Schwedenheer entgegen ziehen wollten, jener Fürst aus dem Wei­fenstamme, der sein junges Leben bei Frankfurt a. O. opferte, um ein armes Menschenleben aus den Fluten der Oder zu retten, sind sie nicht alle Weg­weiser zu der Pflicht, die sie die Heimat, die Umwelt und die Berichte der Alten gelehrt hatten, die als brandenburg-preußisches Erbteil jetzt dem Trom­melfeuer unserer Feinde standhält?

Wir haben uns bemüht, die Kunde von dem Einstgeschehenen und die Kenntnis von der Heimat zu pflegen, zu vertiefen, sie in weite Kreise zu tragen und sie wie einen Edelstein im Lichte wissenschaftlicher Arbeit zu schleifen. Wir erstreben aber mehr; wir wollen das köstliche Gut in der ganzen Provinz jedem zubringen, der hier oder dort seinen Wirkungskreis hat, ob er auf den Höhen wandelt, im Arbeitskittel am Schraubstock steht, oder ob er die Saat bestellt auf dem Lande oder in den Herzen der Kinder. Das ist tiefere Heimatkunde; das wächst über das an sich notwendige Maß wissen­schaftlicher Erkenntnis hinweg zu einer Heimatliebe, die Baum und Tier einschließt, und die das menschliche Herz erglühen läßt für das Schöne, für das Stetige und für das Gewesene der Umwelt, und die einen warmen Hauch dichterischen Erlebens um die Tatsachen legt. Wir haben aber auch in der Heimatkunde die Ziele noch weiter zu stecken, bis sie durch den engen Kreis der Provinz hindurch zu dem größeren deutschen Vaterlandc emporranken.

Die Heimatkunde ist wie alles Menschliche dem Wechsel unterworfen; sie erweitert ihre Aufgaben und muß aus ihnen neue Formen suchen, neue Arbeitsfelder und neue Methoden. Schon vor 25 Jahren erstand sie als eine Vereinigung von geschichtlichem und naturwissenschaftlichem Wissen; in-