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K. Mielke,
Stellung noch immer nicht fand. Nur unser Theodor Fontane, der mit seiner Jugend noch dieser Zeit angehört, erkannte neben seinem süddeutschen Gesinnungsgenossen W. H. Riehl die Bedeutung einer volkstümlichen heimatlichen Geschichtsforschung, die in ihrer Wirkung durch seine tiefe Menschenkenntnis gesteigert wurde. Er war Dichter, nicht Forscher; sein Werk behauptete sich trotz seiner wissenschaftlichen Mängel; aber die Richtung, die sich anschloß, versagte, weil ihr die wissenschaftliche Kritik und auch die wahre Kunst der Schilderung fehlte. Uebersieht man die Fülle der Arbeiten, die in der Zeit von 1850 1891) in der zünftigen Wissenschaft ge
schaffen wurden und eine gewaltige geschichtliche Spatenarbeit darstellcn, dann müssen wir die Vielseitigkeit bewundern, mit der sie alle Gänge des konstruktiven Geschichtslebens durchleuchtete, aber wir dürfen nicht übersehen, daß sie wahllos das Wichtige neben dem Unwichtigen behandelte, beides miteinander .wenn auch kritisch gereinigt verband, daß sic aber vor altera nur die Tat, nicht die Umstände ihres Werdens in ihren Kreis zog. Keineswegs verstand sie es, den ungeheuer angewachsenen Stoff für eine angewandte Heimatkunde oder Heimatpolitik nutzbar zu machen mit Ausnahme eines Mannes, der den Namen eines Vaters der brandenbur- gischei. Geschichte verdient; Karl Friedrich von Klödens. Seine Bedeutung, die mir am besten die Geschichte des Oderhandels verrät, hegt in seiner glücklichen Veranlagung, geschichtliches und naturwissenschaftliches Denken zu verbinden.
Aehnlich waren die Zustände auf dem anderen Gebiete unserer Arbeit: der Naturwissenschaft. Christian Bekmann, der mit seiner 1751 erschienenen Beschreibung der Churmark Brandenburg als Vorläufer wissenschaftlicher Landeskunde zu betrachten ist, stand noch völlig im Banne mittelalterlicher Scholastik, die das Seltsame, das Abweichende mit besondrer Vorliebe ans Licht zog und uns dadurch gewiß manche Ueberlieferung vermittelte, aber die Grundlage unseres wirtschaftlichen Lebens, die Heimat in ihren Beziehungen zum Menschen, völlig übersah. Es war der Zeit selbstverständlich, daß in Reiseschildcrungcn zwar die Richtstätte, der Galgen oder eine Mißgeburt recht liebevoll und eingehend behandelt wurden, daß dagegen das enge Verhältnis zwischen der Vegetation und ihrer geologischen Grundlage, tles Bewohners zum Klima, des Tieres zum Kultur- und Naturleben wenig Beachtung fand. Noch stand es der Forschung im Wege, daß die Naturwissenschaft die großen Zusammenhänge auf ihrem Boden und zum Geschichtlichen nicht begriffen hatte.
Die Romantik hat die Hemmnisse nicht aufgehoben, sie stellenweise sogar vertieft. Wie sie die Vergangenheit mit dem urteilslosen Auge der Sehnsucht betrachtete und die Gegenwart, wenn nicht gerade hintenanstellte, so doch wenigstens nach dem in der Forschung gewonnenen Maß stabe beurteilte, so blieb die Landeskunde in der Fessel einer geschichtlichen Be-