Issue 
(1917) 26
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Von der Heimat zum Vaterland.

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trachtung. Und als noch gar das geschichtlich Stammesartliche zurücktrat hinter das politisch Unterscheidende, als der Main und die Elbe zu Tren­nungslinien nördlicher und südlicher, west- und östlicher Landgebiete wurden, da blieb zwar unsere Mark ein bevorzugter Gegenstand geographischer und naturwissenschaftlicher Betrachtung, aber sie wehte unversehens in das grö-. ßere preußische Gebiet hinüber. Das ist sachlich zu verstehen und wurde dadurch begünstigt, daß Berlin der Mittelpunkt der geographischen Forschung wurde, war aber in der Entwicklung noch nicht gereift.

Erst äußere Bewegungen weckten die Teilnahme für Kultur und Natur der Provinz, die zugleich mit der Gründung örtlicher wissenschaftlicher Ver­eine in Verbindung stand. Wie sich an die Freiheitskriege eine vaterlän­dische Geschichtsbewegung knüpfte, so wuchs nach der Gründung des Deut­schen Reiches eine starke Heimatströmung auf, die Land, Bewohner, Ge­schichte und Kultur in einem möglichst engen landschaftlichen Rahmen zu betrachten suchte. Zunächst noch in provinzieller und örtlicher Beschränkung, aus der sich größere Verbände zu gemeinsamer Arbeit bildeten, die bald zu der Erkenntnis kamen, daß jedes enge Fachwissen nur durch die Verbindung aller Wissensgebiete fruchtbar wäre. Aus der Romantik waren das Germa­nische Museum in Nürnberg, das Römisch-Germanische Museum in Mainz, die Monumcnta Germaniae historica hervorgegangen; aus der vielfach mit Unrecht bespöttelten Neurenaissance der 89er Jahre erblühten die Provin- zialsemmlungen, von denen unser Märkisches Museum 1877 von unserem Vorsitzenden geschaffen und bald zu einem der bedeutendsten gemacht wurde. Aus de> losen Verbindung der Altertumsvereinc wuchs der große Verband der deutschen Geschiclitsvereine heraus. Ueberall entstanden kleinere Samm­lungen und Vereine. Entscheidend war, daß auch Forschungsgebiete in diesen Kreis gezogen wurden, die vordem nur nebenbei behandelt wurden, und die nunmehr eigne Arbeitsmethoden, besondere Quellen und eine selbständige Literatur ins Leben riefen. So entstanden für einzelne Gebiete geographische Gesellschaften, die in der Zentralkommission für wissenschaftliche Landeskunde eine zielbewußte Führung erhielten. Aus den Forschungen zur Sprache und Mythologie gingen die Vereine für Volkskunde hervor, die heute einen ansehnlichen Verband bilden. Besonders lebhaft waren die Ver­treter der Vorgeschichte, die zwar anfangs sich auf die Bergung und Be­obachtung der zahlreichen Funde beschränkten, mit der Zeit jedoch das, Material auch wissenschaftlich bearbeiteten und die heute landschaftliche, zum Teil ethnographische Provinzen schon für die Vorzeit erkennen und damit unbewußt der geographischen und völkergeschichtlichen Arbeit in die Hände arbeiten. Angesichts der Bedrohung und Beeinträchtigung der alten Bau- und Kunstdenkmäler entstand die staatlich organisierte Denkmalpflege, während sich für die Rettung der durch die moderne Wirtschaft bedrohten Tier- und Pflanzenwelt eine mehr und mehr ins einzelne gehende Bewegung