Von der Heimat zum Vaterland.
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hin der Bodenfrage enthüllen. Zeigt es sich doch, daß die geographischen Verhältnisse, in die ein Volk seit Jahrhunderten hineingewachsen ist, nicht ohne Gefahr für seinen Bestand aufzugeben sind. Wo der Deutsche die Ebene verlassen hat, hat er auch einen Teil seines Wesens —- oft den besten . aufgegeben. Er verlor den Blick für den völkischen Zusammenhang und blieb mit Beschränkung auf die nächste Umgebung in der Enge einer staatlichen Verkümmerung. Schon in den mitteldeutschen Bergen trat diese Verengerung hervor, die freilich im 12. Jahrhundert durch enge Beziehungen zu dem ebenenreichen Osten wieder gemildert wurden. Je weiter aber die Stämme in die Berge kamen, um so mehr löste sich der völkische Zusammenhang bis zur völligen Loslösung von den gemeinsamen Kulturinteressen. Die Schweiz ist ein mahnendes Beispiel. Nur die Sprache, die vielleicht in der zweiten oder hochdeutschen Lautverschiebung eine Wirkung der Bergwanderung ist, bindet noch, während sich der Abstand zwischen dem Volkstum diesseits und jenseits der Grenze trotz der Bemühungen Einzelner nicht verringert, sondern, wie das Beispiel des volksverräterischen Dichters Spitteier zeigt, dazu führen kann, seinem eigenen angestammten Volke in seiner größten Not in den Rücken zu fallen.
Der Fall ist leider nicht vereinzelt. Glücklicherweise aber hält die wirtschaftliche Grundlage bei den deutschsprechenden Völkern auch ein Gemeinsamkeitsbewußtsein aufrecht, wenn es aus den gleichen geographischen Verhältnissen hervorgeht. Wald, Ackerland und Weide sind die großen Erinnerungen des deutschen Volkes aus seiner Ebenenzeit, an denen es hängt und zu denen es sich zurücksehnt, wenn Industrie, Handel und Gewerbe ihre Entfaltung gehemmt haben. Der gartenmäßige Anbau in Frankreich und Oberitalien war den Franken und Langobarden kein genügender Ersatz, um diese niederdeutschen Stämme ihrem Volkstum zu erhalten. Als die Wälder Englands im 17. und 18. Jahrhundert in den Hochöfen verkohlten, kamen die keltisch-irischen Bestandteile des Mischvolkes in die Höhe; dagegen haben die Kornfelder Siebenbürgens, des Banats, die Weiden Kärntens und Steier- marks, an der Wolga und am Don deutsche Kultur und deutsche Sitte in einer fremden Umgebung bewahrt.
Das lehren uns Landes- und Volkskunde, die dadurch aus der Stellung einer theoretischen zu einer angewandten Wissenschaft werden. In der Kenntnis der geographischen Grundlage mit der Gesamtheit ihrer Erscheinungen und mit dem Eindringen in die geschichtlich zu erfassende Kunde von dem Wesen unseres Volkes gewinnen wir auch ein Verständnis für die Gegenwart. Es gehört daher zu den Aufgaben der Heimatkunde, die Beziehungen zu pflegen, die wir als heimatliche Kultur bezeichnen. Sie wächst ja aus all den natürlichen und geschichtlichen Vorgängen heraus, die in der Musik, der Dichtkunst und der bildenden Kunst ein besonderes deutsches Kunstgefühl geschaffen haben. Die Heimatkunst ist der Born, aus dem