Ein Rückblick von Alt- zu Neu-Berlin.
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nur etwa 40 v. H. und von Personen, deren beide Eltern in Berlin geboren sind, nur etwa 25 v. H. und deren Großeltern beide in Berlin geboren sind, nur 11 v. H. Ob das ein soziales Glück oder Unglück ist, soll nicht erörtert werden, da jeder Sozialhygieniker und Menschenkenner weiß, daß es notwendig und nützlich ist, der alten Generation mitunter neues Blut zuzuführen.
Sind die alten Verkehrswege noch dieselben? Ein Menschenstrom braust über den Mühlendamm morgens, mittags, abends hinüber und herüber, über die Gertraudtenbrücke von Neukölln nach dem Zentrum und umgekehrt, fast ebenso noch wie vor 500 Jahren. Die Königstraße (die frühere Georgenstraße) ist immer noch eine lebendige Verkehrsader wie früher. Aber überall, wo der Verkehr nachgelassen hat oder nicht mit der Zeit fortgeschritten ist, da sind alte berühmte Oertlichkeiten in ihrer Entwicklung stehen geblieben oder gar zurückgegangen: Altlandsberg war der Sitz eines Markgrafen und hatte ein altes Schloß — ein neues, von Otto v. Schwerin erbautes, das Friedrich 1. bewohnte, brannte 1757 ab — aber wer kennt heute Altlandsberg? Die Stadt Teltow, die dem Kreise Teltow ihren Namen gegeben hat und durch die Teltower Rüben im Munde der Leute ist, ist erst neuerdings wieder durch den Teltowkanal (1901—1906) in den Vordergrund des Interesses gerückt. Hingegen war der Leipziger und Potsdamer Platz noch 1824 so still und abgelegen, daß Schinkel dem König Friedrich Wilhelm III. den Vorschlag machen konnte, die Hof- und Domkirche hierhin zu verlegen, während neuerdings nach einer polizeilichen Zählung täglich von früh 6 Uhr bis abends 9 Uhr 100 000 Fußgänger und 20 000 Wagen diesen Platz passieren.
Tür und Tor galten bei allen Völkern von jeher als heilig. Schon die alten Juden bestrichen zur Osterzeit die Türpfosten mit dem Blute des Opferlamms. Alles Gute und Böse muß durch das Tor hinein oder heraus. Die Doppelstadt Berlin-Kölln hatte eine Anzahl Tore, deren Namen bis zum heutigen Tag meist noch bestehen. Die Sache verschwindet, der Name bleibt. In Alt - Berlin lag das Stralauer Tor am Ende der heutigen Stralauer Straße, das Georgentor am Ende der Georgen-(später König-)straße am Alexanderplatz und das Spandauer Tor am Ende der Spandauer Straße nahe der alten Garnisonkirche. Man gelangte noch nicht vom Bahnhof Börse mit der Stadtbahn für 20 Pf. nach Spandau, sondern fuhr mit Stellwagen durch die Jungfernheide über die Nonnenwiesen in einer Tagereise nach Spandau. In Kölln lag das Leipziger Tor, ein herrlicher Bau vom Meister J. A. Nehring, am Ende der Alten Leipziger Straße, die jetzt versperrt ist durch die Friedrichs-Werdersche Oberrealschule
