Heft 
(1917) 26
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Dr. Hans Brendicke,

und nach der Gegend des sandigen Dönhoffplatzes hinausführte, wo das frühere Abgeordnetenhaus, jetzt nahebei das Reichshallentheater sich erhebt. Das Cöpenicker Tor lag am Ende der alten Ross­straße und das Gertraudtentor hinter der Gertraudtenbrücke, nahe dem Spittelmarkt. Außerhalb Berlins befand sich seit 1405 das Hospital der Heiligen Gertrud und die kleine gotische Kapelle der St. Gertrud (Spittelkirche), wie im Norden Berlins das Georgenkirchlein und das St. Georgshospital vor dem alten Bernauer (späteren Georgen-) tor am Alexanderplatz, zur Aufnahme von pestverdächtigen Fremden bestimmt.

Was bedeutet Weichbild? Weichbild bedeutet weder weich nochBild, sondern setzt sich zusammen aus dem latei­nischen Wort vicus (Dorf, Ort, Gemeinde) und dem noch im Eng­lischen erhaltenen bi 11 (Gesetz, Ordnung). Das Weichbild umfaßt also die Grenzen einer Gemeinde, soweit die Verfassung des Ortes reicht. Und dieses Weichbild von Berlin hat sich von Zeit zu Zeit geändert. Die älteste Stadtmauer ist noch in Ueberresten in der Waisenstraße Nr. 16 erhalten. Die Neue Friedrichstraße, die Palli- sadenstraße (auch die Mauerstraße) erinnern noch an alte Grenzen. Die 1735 errichtete und kurz nach dem Kriege 187071 abgerissene Stadtmauer, die übrigens nur für die Mahl- und Schlachtsteuer errichtet war und nur die damals üblichen Desertionen der Soldaten ver­hindern sollte, also niemals wirklichen Befestigungszwecken diente, kennen ja noch die lebendenältesten Leute Berlins. Mehrere 100 Meter waren noch jüngst amNeuen Tor in der Hannoverschen Straße erhalten. Heute ist das Weichbild durch Eingemeindungen nicht nur nach Moabit und Tegel hin, sondern auch nach Treptow und Neukölln hin wesentlich erweitert. Von allen Seiten aber wird Berlin durch schnell anwachsende Vororte eingeschnürt: Charlottenburg, Schöneberg Wilmersdorf einerseits, Neukölln, Weißensee, Lichtenberg andererseits. Eine Fülle von politischen, polizeilichen und kommunalen Gesichts­punkten lassen es dringend notwendig erscheinen, endlich ein Groß- Berlin zu schaffen, damit eine einheitliche Organisation und Ver­waltung Platz greift, die jetzt durch abertausend Kleinigkeiten zer­stückelt wird.

Zunächst muß man den Versuch machen, sich auf alten Plänen zurechtzufinden. Die alten Pläne von Berlin hatten eine andere Orientierung: Seit Merkators Weltkarte 1569, allmählich immer all­gemeiner z. B. 1709, 1739 usw., d. h. nach Ausschaltung der franzö­sischen und Einführung der deutsch-englischen Methode befindet sich Norden auf der Landkarte oben. Das war früher umgekehrt. Man blickte gewissermaßen vom Oranienburger Tor die Friedrichstraße hin-