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10. (8. außerordentl.) Versammlung des XXVI. Vereinsjalires.
liehe Entwicklung der Nazarethgemeinde. Der Wedding wird zuerst erwähnt als Name eines Dorfes mit einem Ritterhof und einer Mühlei gelegen an den Ufern eines Flüßchens Pankowe, in einer Urkunde, durch die der Markgraf Otto III. am 22. Mai 1251 den Verkauf einer Mühle im Gebiet dieses Dorfes von seiten des getreuen Kriegsmanns Friedrich von Kare an den ehrwürdigen Propst Jakob und das 1239 gestiftete Nonnenkloster zu Spandau für 21 Pfund oder Mark Silber (300 T.) für alle Zeiten bestätigt. Der Name des Dorfes dürfte sich herschreiben von einem Vorwerk, welches der Familie der Edlen von Wedding gehörte, von denen ein Glied, Rudolf v. Wedding, in den Jahren 1197 und 1208 Burgmann in Brandenburg war. Vor gerade 100 Jahren, 1817, erwarb die Stadt Berlin für 31050 Taler den Wedding, welcher damals 40 Wohnhäuser mit 356 Einwohnern zählte. Diese schufen mit großem Fleiß aus der damaligen Wüstenei fruchtbare Ländereien; einige erbauten Mühlen, besonders holländische, auf beiden Seiten der Tegeler Chaussee, wovon die neu entstandene Straße den Namen Müllerstraße erhielt. 1821 wurde durch den Magistrat ein Schulhaus mit einem Klassenzimmer und einer Lehrerwohnung erbaut in der danach benannten Schulstraße; 1828 erhielten die Weddinger den Ruheplatz für ihre Toten an der danach genannten Ruheplatzstraße, auf welchem heut das städtische Krematorium steht. 1832 beschloß König Friedrich Wilhelm III. für die Vorstädte Berlins: Voigtland, Gesundbrunnen, Wedding, neue Kirchen zu erbauen. So erstand an der Ecke der Müller- und Schulstraße auf dem vom Magistrat geschenkten Bauplatz die alte Nazarethkirche, erbaut von Schinkel, 1835 eingeweiht durch Bischof Neander; die Baukosten betrugen 35244 Taler, 15 Silbergroschen, 2 Pfennig. Die Gemeinde zählte damals 1515 Seelen und wurde mit ihrem Schulwesen der Berliner Stadtsuperintendentur zugewiesen. In raschem Wachstum erreichte die Gemeinde 1889 — 36000 Seelen, für welche die neue Nazarethkirche am 10. März 1893 eingeweiht wurde; Baukosten 454 000 M., bei dreimal soviel Sitzplätzen als in der alten Kirche. Diese wurde nun durch Einbau eines Stockwerks in ein Gemeindehaus umgewandelt, mit großem Gemeindesaal, Klein-Kinder-Bewahranstalt usw. Die äußere Form des alten Schinkelbaus im Basilikenstil blieb unverändert; auch im Innern ist vieles erhalten geblieben, so die Decke mit ihrer eigenartigen Bemalung, welche in noch guten, tiefen Farben den gestirnten Himmel darstellt. 1902 zählte die Nazarethgemeinde bei Abzweigung der Kapernaumgemeinde 56 000 Seelen, 1908 bei Abzweigung der Ostergemeinde 84 000 Seelen. Die neue Nazarethkirche ist ein stattlicher Bau in streng gotischen Formen mit Grundriß in Kreuzform, vom Baurat Spitta errichtet. Orgel, Glocken, Uhr, Taufstein, Kanzel,