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19. (8. ordentliche) Versammlung des XIV. Vereinsjahres.
Herrn Konsul Ernst Vohsen (in Firma Dietrich Reimer hierselbst) und bitte Herrn Robert Mielke um einen Bericht hierüber. Herr Mielke bemerkt demnächst folgendes:
„Dem diesjährigen Bericht der „Zentral-Kommission für wissenschaftliche Landeskunde von Deutschland“ ist ein Aufruf beigefügt, der zur Mitarbeit an einer großen nationalen Arbeit auffordert. Wir sehen, wie außerhalb unsrer politischen Landesgrenze die alten deutschen Ortsnamen durch Umtaufe mehr und mehr verschwinden. Wenn wir unter den gegenwärtigen Umständen diesen Vorgang nicht hemmen können, so erwächst uns doch die Pflicht, diese Namen nach Möglichkeit in unsren Büchern und Karten zu erhalten. Daneben läuft noch ein wichtiges wissenschaftliches Interesse, das in der Namenforschung ein wichtiges Hilfsmittel der Besiedelungskunde oder mit andren Worten der Ausbreitungsgeschichte unsres Volkes erkennt. Ich brauche nur an die vielen Ortsnamen mit „ingen“ zu erinnern, die auf eine'Sippenansiedlung deuten und in wechselnder Dichte in Deutschland, Frankreich und England die Ausbreitungseuergie bestimmter Stämme belegen. Hier fordert die Gegenwart um so mehr zur Sammeltätigkeit auf, als viele Ortsnamen einen Unterschied zwischen der geschriebenen Form und dem im Volksmunde gebräuchlichen erkennen lassen, der in wenigen Jahren kaum noch festzustellen sein wird. Um hier ein Beispiel aus nächster Nähe zu bringen, kennt man im Osthavellande das Dorf Satzkorn allgemein nur in der Form „Sotzkar“. Ein geübtes Ohr wird auch feinere Unterschiede zwischen Sprech- und Schreibweise heraushören. Als ich vor zwei Jahren in später Abendstunde den Weg nach Dobrilugk erfragte, wäre es mir fast zum Verhängnis geworden, daß ich nicht in der landesüblichen Sprechweise „Doberluh“ fragte, denn der Angesprochene wies mich nach einem zufällig in der Nähe gelegenen Ort Dübrichen, das ich fast erreicht hatte, bevor ich meinen Irrtum erkannte.
Man kann der Zentral-Kommission dankbar sein, daß sie diese von Prof. Langhans in Gotha schon seit Jahren mit Aufmerksamkeit studierte Frage aufnimmt. Ich möchte die Bitte aussprechen, daß auch unsre Mitglieder sich an der Arbeit beteiligen, indem sie einmal alle Unterschiede zwischen Sprach- und Schreibwort und dann weiterhin in unsren gefährdeten Grenzgebieten alle deutschen Ortsnamen sammeln, namentlich aber ein sorgsames Auge auf nnsre kartographischen und andren Veröffentlichungen richten, damit wir nicht selbst zur Vernichtung eines alten Volkstums die Hand reichen. Das Reichs-Kursbuch geht mit gutem Beispiel voran, indem es erst die deutsche, dann erst die aufoktroyierte Form bringt. Der Obmann für die Provinz Brandenburg, unser verehrter I. Vorsitzender, nimmt alle Beobachtungen für die Kommission gern entgegen.“