Iß 19, (8. ordentliche) Versammlung des XIV. Vereinsjahres.
Zwischen der Kultur 3 u. 4 möchte ich noch eine weitere Stufe die Mesolithische einschieben. Die Mesolithische Kultur ist charakterisiert durch Spalten und Behauen des Steins mit oft künstlerischer Ausführung einzelner Stücke. Diese Kultur bildet kulturgeschichtlich und geologisch (stratigraphisch) den Übergang von der Palaeolithischen zur Neolithischen Kultur; es gehören dahin u. a. die ältesten Schweizerpfahlbauten und viele Kulturen an der Nord- und Ostsee (besonders der Insel Rügen) zum Teil unter dem Meer versunken. Geologisch entspricht in dem soeben gedachten Schema, das sich absichtlich nur auf Steinsachen einlässt, die Eolithische Kultur dem Tertiär, die Archaeolithische Kultur dem Übergang von Tertiär zum Diluvium, die Palaeolithische Kultur, dem Diluvium, die Mesolithische Kultur dem Alt-Alluvium und die Neolithische Kultur dem jetzigen (rezenten) Alluvium.
Verworn setzt noch hinzu, es sei selbstverständlich, daß die niederen Werkzeugtypen sich auch in allen höheren Kulturstufen als remanente Formen erhalten können. So finden wir z. B. eolithische Typen auch in archaeolithischen, palaeolithischen, mesolithischen, neolithischen, ja selbst in ganz modernen Kulturen in Form von Behausteinen, Kornquetschern, Reibesteinen u. dergl. Die Massenbaftigkeit von eolithischen Typen kann unter Umständen in einer höheren Kulturstufe so groß sein, daß man fast eine eolithische Kultur vor sich zu haben glaubt. So könne z. B. in archaeolithischen Kulturen die künstliche Spaltung des Feuersteins zur Gewinnung von Abschlägen überflüssig werden, weil an Ort und Stelle genug natürliche Bruchstücke mit scharfen Kanten vorhanden sind, wie das in Rutot’s „Reutelienstufe“ der Fall ist. Daß es sich hier trotzdem um eine archaeolithische Kultur handelt, erkennt man dann nur an der Verwendung der Randbearbeitung. Im übrigen hat die ganze Kultur eolithischen Charakter. Ja, wir müßten sogar sagen, daß eine völlig reine eolithische Kultur bisher noch nicht einmal gefunden worden ist. Um solche zu suchen, müssen wir offenbar noch viel weiter zurückgehen in der Erdgeschichte als bisher, denn die älteste Kultur, die wir bis jetzt mit Sicherheit kennen, die Kultur des obersten Miocän, ist bereits eine Kultur von sehr ausgesprochenem archaeolithischen Typus. Daß aber rein eolithische Kulturen der archaeolithischen Stufe des oberen Miocän irgendwann einmal vorangegangen sein müssen, das beweist nicht nur das Vorhandensein von remanenten eolithischen Typen in höheren Stufen, sondern auch die bekannte, in der Brandenburgs vom Referenten wiederholt erwähnte Tatsache, daß gewisse Affenarten Natursteine zum Schlagen benutzen.
Überall und zuerst muß also die Geologie mitsprechen, findet man eolithisch aussehende Steine in den diluvialen Sand-, Grand- und Kiesgruben, so hat man die immerhin schon schätzbare Gewissheit, daß sie nicht dem Alluvium, der mesolithischen oder neolithischen Kultur angehören können.