R. Schmidt, ]>ie Eberswalder St. Gertrudskapelle.
129
Hals gebunden tragend, barfuß daher ging und nun so plötzlich dahingerafft wurde.
Wiederholt hatte sich durch das Reisauflegen den Vorüberwandernden an jener Stelle ein mächtiger Reisighaufen gebildet, bis endlich die Gutsverwaltung von Gentzrode statt jener lästigen Denkmalsweise den oben beschriebenen Stein an den Grabenrand setzte.
Besucht 3. August 1905. R. Jülicher.
Ein andres Memento mori ist auch jenes Grabkreuz im Dorf Zechlin (Kr. Ostprignitz), auf welchem man liest: Hier ruht Marie Bölnn, ermordet von bekannter Hand. Erst Jahre nachher fand die grausige Tat, daß der Bräutigam mit einem Helfershelfer die eigne Braut ermordet hatte, durch das von Erfolg gekrönte Geschick eines sehr bekannten Berliner Kriminalkommissars (Weien) ihre Sühne. Beide Mörder sitzen auf Lebenszeit in der Strafanstalt zu Sonnenburg (seit 1881 oder 1882).
Die Eberswalder St. Gertrudskapelle.*)
Von Rudolf Schmidt-Eberswalde.
Während in der Stettiner Vorstadt sich als ältestes Wahrzeichen der Stadt die 1359 zum erstenmal urkundlich erwähnte St. Georgskapelle durch die Jahrhunderte hindurch gerettet hat, ist die St. Gertrudskapelle seit 50 Jahren gänzlich verschwunden.
Gertrudskapellen sind in einer Reihe von märkischen Städten vorhanden oder vorhanden gewesen. Sie sind benannt nach der heiligen Gertrud, der Tochter des fränkischen Majordomus Pippin von Landen, welche im Jahre 659 als Äbtissin des Klosters zu Nyvel starb. Im Volksmunde trat sie als Schutzheilige der Reisenden und fahrenden Brüder, die ihr zu Ehren die Gertrudsminne tranken, an die Stätte der altheidnischen Göttin Freyja. Ferner galt die Heilige als Schutzherrin der Spitäler und Krankenhäuser, demnach als Trost der Armen, der schwachen und kranken Leute. Der Volksglaube hielt auch gern an der Vorstellung fest, daß die den Lebenden so gütige Herbergspatronin auch den Verstorbenen freundlich gesinnt sein werde; und so entstand wohl die Vorstellung, daß die Toten die erste Nacht bei der heiligen Gertrud einkehren und schlafen (vergl. hierzu die interessanten Ausführungen E. Lembkes in Brandenburgia XII Seite 445).
> *) Vom Verfasser für das Monatsblatt erweiterter Abdruck aus der „Eberswalder Zeitung“ 1904 No. 296.