Heft 
(1907) 15
Seite
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R. Schmidt, Die Eberswalder 8t. Gertrudskapelle.

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damals eingewanderten Schweizern zur Abhaltung ihrer Gottesdienste überlassen wurde. Der Kurfürst hatte unterm 11. März 1G93 an den Konimissionsrat Grohmann u. a. geschrieben:Dabey hast du in Unserm hohen Namen zu versichern, daß die Kirche nebst ihren Intraden und was dazu gehöret, ihnen (den Lutheranern) doch verbleiben, und eben­falls freystehen solle, nach wie vor ihren Gottesdienst darin zu halten. Die Gertrudskapelle wurde also sozusagen nurauf Widerruf den Schweizern überlassen.

(1G91 wurden auf Kurf. Befehl 27 Schweizer Familien hier ange­siedelt, ihnen ihre eigene Straße, die heutige Schweizerstraße, gegeben und abgabenfreie Häuser überlassen. Ihre vornehmste Aufgabe war, das vielfach schlechte Land in gutes Kulturland zu verwandeln und haben sie dies hauptsächlich an Waldparzellen versucht, jenseits der Stettinerstraße, welche noch heute die Schweizer Hufen genannt werden.)

Außer der reformierten Schweizer-Kolonie wurde die Kapelleauch wohl zuweilen denen Katholiken von der Garnison, wenn sie das Sakrament des Nachtmahls hielten, zum gottesdienstlichen Gebrauch vergönnet, auchnoch bis 170G die jährliche Bet-[Buß-]predigt in der­selben, welche der Diaconus vermöge einer alten Stiftung alle Jahre den Dienstag nach Rogate halten muß, gehalten.

Als im Jahre 1717 die Schweizer ihre eigene Kirche, die St. Jo­hanniskirche (jetzt das Kaufhaus Lagro) bezogen, verödete die Gertrnds- kapelle gänzlich. Die noch voihandene kleine Glocke, welche bisher in einem freien Glockenstuhl aufbewahrt worden war, wurde den Schweizernzur Anschaffung eines Geläutes für ihre neue Kirche überlassen und eingeschmolzen, desgleichen nahmen sie die aus dem frühesten Mittelalter stammende Kanzel nebst Altaraufbau mit hinüber in ihre neue Kirche.

Hin und wieder als Leichenhalle benutzt, wurde aus der Kapelle mit der Zeit ein sogenanntes Kronenhaus. Die inneren Wände be­deckten sich nach und nach immer dichter mit Jungfern- und Junggesellen­kronen, von denen viele Seidenbänder herunterhingen, die mit dem Namen des Verstorbenen, seinem Geburts- und Todestag und in der Regel mit einem Bibel- oder sonstigen christlichen Spruch bestickt waren. Es befanden sich darunter recht wertvolle Exemplare. Die schöne Sitte wird zwar in Eberswalde seit langen Jahren nicht mehr geübt, wohl aber haben bis heute einige der umliegenden Dörfer an dem alten Brauche der Totenkronen festgehalten.

Im Jahre 1855 brannte die Gertrudskapelle plötzlich ab; wie man sagt, ist das Feuer von böswilliger Hand angelegt worden. Die übrig gebliebenen sehr großen Fundamentsteine wurden im Mai 1886 blos-